Modellprojekt “Eigene Wohnung” zur Erprobung des Housing-First-Ansatzes in Leipzig

Modellprojekt “Eigene Wohnung” zur Erprobung des Housing-First-Ansatzes in Leipzig (VII-DS-01659) Einreicher: Dezernat Soziales, Gesundheit und Vielfalt

Aus der Ratsversammlung am 28.04.2021

Stadtrat Köhler (Freibeuter): Sehr geehrter Bürgermeister Bonew! Meine Damen und Herren Beigeordneten! Werte Kollegen und Kollegen Stadträte! Liebe Zuschauende am Livestream! Werte Pressevertreter! „Housing First“, ein Programm für wohnungslose Menschen, ist für mich ein wichtiger Schritt in unserer Sozialpolitik. Wer selbst noch nie vor der Gefahr stand, in die Wohnungslosigkeit zu fallen, wer immer ein stabiles Lebensumfeld und entsprechende Lebensumstände hatte, dem fällt es schwer, die Gründe von Wohnungslosigkeit nachzuvollziehen.

Falls jetzt jemand sagt: Der Köhler quatscht nur – ich stand schon einmal am Rande dieser Situation, wenn auch länger her. Jobverlust, Trennung oder Scheidung, Abrutschen in Alkoholismus o[1]der Drogenkonsum sind nur einige Gründe. Zur Wahrheit gehört auch, dass sich wohnungslose Menschen oft um Hilfen bemüht haben, aber an der Bürokratie gescheitert sind oder sich von den Akteuren der Ämter im Stich gelassen fühlen. Das ist kein Vorwurf an unsere Ämter. Die meisten Mitarbeiter*innen machen einen guten Job, sind aber an Vorgaben gebunden.

So war für mich persönlich der jetzt geänderte Satz, dass sich das Projekt nur an Personen richtet, die

einer sozialen Betreuung zustimmen, welche einen wöchentlichen Hausbesuch in der Wohnung der Teilnehmenden anzielt

aus mehreren Gründen nur schwer tragbar.

Erstens impliziert er die Unmündigkeit wohnungsloser Menschen, die sich mit ihrer Teilnahme an diesem Programm entschlossen haben, diesem Zustand zu entkommen. Zweitens beschreibt der Satz eine soziale Betreuung mit dem Ziel eines wöchentlichen Hausbesuchs. Das könnte man – was ich nicht mache – mit einer Anwesenheitskontrolle verwechseln.

Aus meinen beruflichen Erfahrungen – nicht mit wohnungslosen Menschen, sondern bei der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und ehemaligen Drogenabhängigen ins berufliche Leben – kann ich nur bestätigen, dass Menschen in einer Notlage, die sich entschlossen haben, diese zu beenden, jedes Hilfsangebot annehmen, weil sie entschlossen sind; was gerade den Kollegen von den konservativen Parteien eigentlich gefallen sollte.

Sehen wir die wohnungslosen Menschen als mündliche Mitbürgerinnen in einer Notsituation. Ich persönlich stimme der Vorlage in der geänderten Form zu, empfehle diese Zustimmung auch meiner Fraktion und bitte Sie um ein positives Votum. – Danke schön.

(Es gilt das gesprochene Wort)