Rechtsgutachten zum Abschleppen

Anfrage

Mit dem Verwaltungsstandpunkt VII-A-00898-VSP-01 zu unserem Antrag „Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen“ wurde vom Ordnungsamt der Stadt Leipzig eine fehlerhafte Rechtsgrundlage kommuniziert. Durch das von der Stadt Leipzig beauftragte Rechtsgutachten wurde eine andere Rechtslage festgestellt.

Deshalb fragen wir an:

1. Welche Maßnahmen wurden innerhalb des Ordnungsamtes zur Durchsetzung der Verkehrssicherheit auf Grund der im Rechtsgutachten festgestellten Rechtslage getroffen?

2. Wie wurde die korrigierte Rechtsauffassung den MitarbeiterInnen im Außendienst vermittelt?

3. Wurden „generalpräventive Maßnahmen“ zur Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Abschleppen/Umsetzen von verkehrsbehindernd parkenden Kfz durchgeführt oder sind solche für das Jahr 2022 geplant?

Antwort

Zur Frage 1:

Die Arbeitsanweisung des Ordnungsamtsleiters „Abschleppen und Verwahren verkehrsordnungswidrig parkender Fahrzeuge“ wurde im April 2021 mit der Anlage „Entscheidungshilfe zum Anordnen von Abschleppmaßnahmen im Rahmen der kommunalen Verkehrsüberwachung des ruhenden Verkehrs in der Stadt Leipzig“ von Prof. Dr. Dieter Müller versehen. Entsprechend der in der Arbeitsanweisung getroffenen Festlegung, kann die Entscheidungshilfe bei der Abwägung des Einzelfalls herangezogen werden.

Zur Frage 2:

Die Arbeitsanweisung und die Entscheidungshilfe, die in zwei Fassungen existiert, wurden im amtsinternen Intranet veröffentlicht. Zudem wurde die Entscheidungshilfe in der sogenannten Praktikerfassung allen mit Abschleppvorgängen befassten Bediensteten des Ordnungsamtes über die o. g. Arbeitsanweisung zur Kenntnis gegeben. Die aktenkundige Belehrung der gemeindlichen Vollzugsbediensteten ist erfolgt. Es ist ein jährlicher Belehrungsturnus verfügt.

Darüber hinaus haben die Beschäftigten die Möglichkeit für Rückfragen im Rahmen einer Fortbildungsmaßnahme mit dem Verfasser am 6./7. Oktober 2021 genutzt und können diese auch schriftlich an ihn weiterleiten lassen.

Zur Frage 3:

Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 dargelegt, ist jeder Fall, bei dem eine Verkehrsordnungswidrigkeit vorliegt, vor Einleitung einer Vollzugsmaßnahme einer Einzelfallprüfung zu unterziehen. Im Rahmen dieser können auch generalpräventive Aspekte berücksichtigt werden. Statistisch ist keine Unterscheidung hinsichtlich dieses Kriteriums möglich. Im Jahr 2021 wurden durch die gemeindlichen Vollzugsbediensteten insgesamt 4.344 Abschleppmaßnahmen angeordnet. Im Vorjahr waren dies 3.661. Der Anstieg der Zahlen ist insbesondere vor dem Hintergrund beachtlich, dass im Jahr 2020 die Einsatzkräfte der kommunalen Verkehrsüberwachung unter Corona-Bedingungen nur eingeschränkt ihrer originären Aufgabe nachgehen konnten und die Gesamtzahl der erfassten Verkehrsordnungswidrigkeiten mit 242.618 im Vergleich zum Jahr 2020 (264.915 Fallerfassungen) deshalb geringer ausfiel. Man kann demnach, mit gewisser Vorsicht, davon ausgehen, dass das von vornherein als Arbeitshilfe gedachte Gutachten von Prof. Dr. Müller seine beabsichtigte Wirkung erzielte, den Außendienstbeschäftigten die Ermessensausübung zu erleichtern.

Anfrage im Allris

Antwort im Allris

Köhler (Piraten): “Versteckt, aber veröffentlicht: Rechtsgutachten zum Abschleppen endlich jedermann zugänglich!”

Die Fraktion Freibeuter begrüßt nach zähem Ringen mit Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal und auf eigenes Betreiben hin die Veröffentlichung des von der Stadt Leipzig beauftragten Rechtsgutachtens „Entscheidungshilfe Abschleppen“ von Prof. Dr. Dieter Müller auf der Homepage der Stadt Leipzig als eine Rechtsauffassung, die das Abschleppen in verkehrsbehindernden Situationen im Straßenverkehr mit Verweis auf § 12 (3) StVO stützt.

Dazu der stellv. Fraktionsvorsitzende Thomas Köhler (Piraten): “Endlich hat jedermann Zugang zum Rechtsgutachten, das ein öffentliches Interesse am Abschleppen von verkehrsbehindernd parkenden Fahrzeugen bestätigt. Die Veröffentlichung hätten wir uns öffentlichkeitswirksamer gewünscht. Das von Bürgermeister Rosenthal als Arbeits- und Schulungsmaterial beschriebene Gutachten für das Ordnungsamt schien seine Wirkung bisher verfehlt zu haben. Scheinbar zu selten wurden verkehrsbehindernd parkende Fahrzeuge in Leipzig abgeschleppt”, so Piraten-Stadtrat Thomas Köhler, der die Freibeuter im Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung vertritt.

Die Fraktion Freibeuter kündigt zudem einen neuen, rechtskonformen Antrag an: “Der Wunsch der Mehrheit des Stadtrates, gemeinsam mit der Stadtverwaltung und dem Oberbürgermeister eine rechtskonforme Regelung, die alle Verkehrsteilnehmer schützt, zu erarbeiten, ist nachdrücklich gegeben. Besonders im Fokus stehen für uns die Schulwegsicherheit, die Sicherheit für Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen – eben die schwächsten Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr”, so Köhler weiter.

Das Rechtsgutachten ist unter folgendem Link in zwei Ausführungen einsehbar: https://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/sicherheit-und-ordnung/kommunale-verkehrsueberwachung/auto-abgeschleppt-wie-weiter/

Vorausgegangen waren die Beschlüsse auf Antrag der Freibeuter zum bevorzugten Abschleppen verkehrswidrig parkender Fahrzeuge, zunächst in der Ratsversammlung am 16. September 2020 und nach Widerspruch des Oberbürgermeisters gegen den Beschluss erneut in der Ratsversammlung am 7. Oktober 2020. Der Oberbürgermeister hatte dagegen wiederholt Widerspruch eingelegt.

Gemeinsam mit den Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen hatte die Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat daraufhin beantragt, den Oberbürgermeister zu beauftragen, gegen den Bescheid der Landesdirektion Sachsen vom 17. November 2020 fristwahrend zu widersprechen. In dem Bescheid stellt die Landesdirektion Sachsen die Rechtswidrigkeit des Stadtratsbeschlusses vom 7. Oktober 2020 fest. Sie verweist auf die fehlende Zuständigkeit des Stadtrates in der Sache. Ein jüngeres Gutachten zur Rechtmäßigkeit des Stadtratsbeschlusses zum „Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen“ des RA Dr. Brüggen empfahl die Rücknahme des Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit. Der Empfehlung kam der Stadtrat in der Ratsversammlung am 21. Januar 2021 nach.