Anfrage:
Mit dem Referentenentwurf vom 14. April 2021 plant das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Reform des allgemeinen Befristungsrechts, geregelt im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Daher fragen wir an:
- Welche Auswirkungen hätten die beabsichtigten Änderungen des TzBfG auf die Stadtverwaltung, auf die kommunalen Unternehmen der Stadt Leipzig und die Eigenbetriebe?
- Wie viele Arbeitsverträge könnten jeweils bei der Stadtverwaltung, den kommunalen Unternehmen der Stadt Leipzig und der Eigenbetrieben nicht mehr verlängert werden?
- Würden sich aus der beabsichtigten Änderung des TzBfG Risiken bei der Stadtverwaltung, den kommunalen Unternehmen und Eigenbetrieben ergeben?
Antwort:
Aus der Ratsversammlung am 21.07.2021
Bürgermeister Hörning: “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion Freibeuter fragt nach den Auswirkungen einer geplanten Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes auf befristete Arbeitsverträge bei der Stadt Leipzig.
Hierzu möchte ich wie folgt antworten: Wie in der Anfrage dargestellt, handelt es sich um einen Referentenentwurf, den Referentenentwurf des undesministeriums für Arbeit und Soziales, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen
Befristungsrechts. Der Begriff des Referentenentwurfs entstammt der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien und ist nicht legal
definiert. Er beschreibt in der Regel einen Gesetzesentwurf eines Ministeriums, der noch nicht im Rahmen umfassender Abstimmungs- und Beteiligungsprozesse geprüft und beurteilt wurde, sondern vielmehr hierfür veröffentlicht wird.
Der hier benannte Referentenentwurf stammt aus dem April 2021. Soweit ersichtlich, wurde der Entwurf noch nicht der Bundesregierung als Kabinettsvorlage vorgelegt. Zum Stand der Abstimmung ist nichts bekannt. Folglich war auch der Bundestag als Legislative damit noch nicht befasst. Aufgrund der bereits begonnenen parlamentarischen Sommerpause wird vor der Bundestagswahl keine parlamentarische Befassung mit einem wie auch immer inhaltlich ausgestalteten Gesetzesentwurf zur Thematik mehr stattfinden. Auch im Rahmen der parlamentarischen Befassung erfolgen in aller Regeln noch Änderungen in Gesetzesentwürfen, das sogenannte Strucksche Gesetz. Insofern ist es wahrscheinlich etwas weit gegriffen, aufgrund des vorliegenden Referentenentwurfs – der auf der Homepage des BMAS im Übrigen nicht zu finden war – von einer bereits geplanten gesetzlichen Änderung zu sprechen.
Gern möchten wir dennoch Ihre gestellten Fragen beantworten. Aufgrund des Umfangs erfolgt dies parallel schriftlich. Die im Rahmen dieser schriftlichen Beantwortung erfolgenden Bewertungen bilden allerdings eine zunächst volatile Momentaufnahme ab, die aufgrund der beschriebenen Änderungsmomente wahrscheinlich keine oder nur geringe Bedeutung für die Zukunft hat. Zu konstatieren ist zuletzt, dass eine Befassung der Stadtverwaltung mit Referentenentwürfen in aller Regeln nur dann erfolgt, wenn diese im Rahmen einer Verbändeanhörung zur Prüfung und Beurteilung verteilt sind. Vorliegend ist dies für die Stadtverwaltung nicht ersichtlich.”
Oberbürgermeister Jung: “Herr Morlok.”
Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrter Herr Hörning! Im Rahmen des Ziels, Fragen zu verkürzen, können Sie unterstellen, dass wir als Fraktion wissen, was ein Referentenentwurf ist. Wenn das noch einmal kommt, können Sie das bei der Beantwortung zu Beginn weggelassen. Da die Antwort bereits schriftlich veröffentlicht worden ist, kann ich auch zu der schriftlichen Antwort schon Nachfragen stellen.
In Ihren Ausführungen in den Zahlen gibt es zum einen Zahlen bezüglich der Stadt Leipzig, und dann haben Sie eine Abfrage bei den Beteiligungsunternehmen gemacht. Ich finde in der Antwort keine Ausführung über die Eigenbetriebe. Meine Frage: Sind die entsprechenden Zahlen der Eigenbetriebe in den Zahlen der Stadtverwaltung enthalten oder fehlen Sie in dem, was Sie in der schriftlichen Antwort dargestellt haben?
Ich frage ganz konkret nach zu einem Eigenbetrieb. Ausweislich des öffentlichen Jahresabschlusses des KEE für das Jahr 2020 wird der Wegfall dieser Befristungsmöglichkeiten als unternehmerisches Risiko eingeschätzt. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie sich als Stadtverwaltung, wenn dies im Risikobericht als unternehmerisches Risiko einer unserer 100-prozentigen Töchter eingeschätzt ist, auf den Standpunkt stellen: Mit Referentenentwürfen befassen wir uns nicht. Das wäre grob fahrlässig angesichts der möglichen Schäden, die für das Unternehmen eintreten.
Ich nehme einmal an, Sie sind auch im Aufsichtsrat des Unternehmens vertreten, also sollten Sie als Aussichtsratsvorsitzender vielleicht schon – so meine Frage – gelegentlich mögliche Risiken abwägen. Deswegen ganz konkret zum Thema KEE die Frage, weil das da als Risiko benannt ist und deswegen sicherlich von Ihnen und von der Geschäftsführung des KEE auch monitoriert, verfolgt wird: Wie schätzen Sie diese mögliche Umsetzung des Referentenentwurfs auf das Geschäftsmodell des KEE ein?”
Bürgermeister Hörning: “Ich verweise auf den Hinweis 2 der schriftlichen Antwort, die Sie gerade zitiert haben, die Ihnen auch vorliegt, dass wir aufgrund der umfassenden Anfrage und der knappen Antwortfrist für die Beantwortung vor dem Hintergrund der Unsicherheitsfaktoren keine Einzelbefragung der Eigenbetriebe vorgenommen haben. Bei Betroffenheit sind aber ähnliche Aussagen für Stadtverwaltung und Beteiligung zu erwarten. Ich nehme den Hinweis auf den KEE gerne auf und würde Ihnen da noch einmal eine Antwort zukommen lassen. Ich kann das jetzt nicht näher beurteilen. Ich bin mit dem KEE fachlich nicht befasst, aber wenn das so ist, gehen wir dem nach.”
Oberbürgermeister Jung: “Okay, vielen Dank.”
Schriftliches Teil:
Hinweis I
Wie in der Anfrage dargestellt, handelt es sich um einen Referentenentwurf: den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts.
Der Begriff des Referentenentwurfes entstammt der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien und ist nicht legaldefiniert. Er beschreibt in der Regel einen Gesetzesentwurf eines Ministeriums, der noch nicht im Rahmen umfassender Abstimmungs- und Beteiligungsprozesse geprüft und beurteilt wurde, sondern vielmehr hierfür veröffentlicht wird. Der hier benannte Referentenentwurf stammt aus dem April 2021. Soweit ersichtlich wurde der Entwurf noch nicht der Bundesregierung als Kabinettsvorlage vorgelegt, zum Stand der Abstimmungen ist nichts bekannt. Folglich war auch der Bundestag als Legislative damit noch nicht befasst.
Aufgrund der bereits begonnenen parlamentarischen Sommerpause wird vor der Bundestagswahl keine parlamentarische Befassung mit einem wie auch immer inhaltlich ausgestalteten Gesetzesentwurf zur Thematik mehr stattfinden. Auch im Rahmen der parlamentarischen Befassung erfolgen in aller Regel noch Änderungen in Gesetzesentwürfen, man spricht hier gern vom “Struck’schen Gesetz”.
Insofern ist es wahrscheinlich etwas weit gegriffen, aufgrund des vorliegenden Referentenentwurfes – der auf der Homepage des BMAS im Übrigen nicht zu finden war – von einer bereits planten gesetzlichen Änderung zu sprechen.
Gern möchten wir dennoch Ihre gestellten Fragen beantworten, aufgrund des Umfanges erfolgt dies aber parallel schriftlich. Die im Rahmen dieser schriftlichen Beantwortung erfolgenden Bewertungen bilden allerdings eine zuhöchst volatile Momentaufnahme ab, die aufgrund der beschriebenen Änderungsmomente wahrscheinlich keine oder nur geringe Bedeutung für die Zukunft hat.
Zu konstatieren ist ferner, dass eine Befassung der Stadtverwaltung mit Referentenentwürfen in aller Regel nur dann erfolgt, wenn diese im Rahmen einer Verbändeanhörung zur Prüfung und Beurteilung verteilt sind. Vorliegend ist dies für die Stadtverwaltung nicht ersichtlich gewesen.
Hinweis II
Aufgrund der für die umfassende Anfrage knappen Antwortfrist für die Beantwortung und vor dem Hintergrund der o. g. Unsicherheitsfaktoren erfolgte keine Einzelbefragung der Eigenbetriebe. Bei Betroffenheit sind aber ähnliche Aussagen wie für Stadtverwaltung und Beteiligungen zu erwarten.
Hinweis III
Für die Beantwortung wurden die unmittelbaren Beteiligungen mit einer Beteiligungsquote über 50% befragt. 5 der angefragten 16 Unternehmen meldeten eine Relevanz der Thematik (DOK, IRL, LWB, SAH, Zoo).
Zur Frage 1:
Stadtverwaltung
Als Arbeitgeber geht die Stadtverwaltung verantwortungsvoll mit der Anwendung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes um. Unser Selbstverständnis als Arbeitgeber ist es, bei bestehender Möglichkeit vorrangig unbefristete Arbeitsverträge oder, falls nötig, befristete Arbeitsverträge mit Sachgrund abschließen.
Zum Stichtag 31.12.2020 waren bei der Stadtverwaltung dementsprechend nur 4 % aller Beschäftigten mit Sachgrund bzw. sachgrundlos befristet angestellt.
Jedoch gibt es in der Stadtverwaltung befristet eingerichtete Stellen, die aus haushalterischen und stellenplantechnischen Gründen nur befristet eingerichtet und nur befristet ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG besetzt werden können.
So lassen Stellen, die von der Gewährung von Fördermitteln abhängig sind, häufig keine sichere Prognose über die Dauer der Förderung zu. Dies aber wäre Voraussetzung für eine Befristung mit Sachgrund. Auch Stellen, die sich aus freien Zeitanteilen anderer Teilzeitbeschäftigter zusammensetzen, können nicht mit Sachgrund befristet werden. Die Bildung solcher Stellen ist indes erforderlich, soll den Teilzeitwünschen (Teilzeitquote 2020: ca. 46 %, davon mehrheitlich befristet) unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin großzügig entsprochen werden. Eine sachgrundlose Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG ist hier der einzig mögliche Weg.
Die angedachte Verkürzung des Befristungszeitraumes für befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund von 24 auf 18 Monate einschließlich der Möglichkeit einer nur einmaligen Verlängerung des Befristungszeitraums hätte zur Folge, dass die personalwirtschaftliche Flexibilität stark eingeschränkt würde. Für die Bewerber um solche Stellen verringerte sich aufgrund der verkürzten Vertragslaufzeit die berufliche und finanzielle Planbarkeit. Es ist folglich zu erwarten, dass sich aufgrund des verkürzten befristeten Besetzungszeitraumes der Stellen, der Bewerberkreis bei Ausschreibung der Stellen verringern würde. Dies hätte negative Folgen für die Personalauswahl und Stellenbesetzung.
Der Regelung zur Höchstdauer von Kettenbefristungen mit Sachgrund (keine Überschreitung der Höchstdauer von fünf Jahren) stehen wir offen gegenüber. Befristungen über einen solchen Zeitraum kommen in der Stadtverwaltung kaum vor.
Beteiligungsunternehmen
Bei zwei Beteiligungsunternehmen, welche eine Relevanz der Thematik angezeigt haben (DOK, IRL), werden keine größeren oder unbeherrschbaren Auswirkungen befürchtet. Drei Unternehmen (LWB, SAH, Zoo) befürchten einen Verlust an Flexibilität bei Einstellungen. Teilweise wird darauf hingewiesen, dass sachgrundlose Befristungen als Instrument der Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt genutzt werden, was dann nicht mehr möglich sei. Auch Elternzeit- und Krankheitsvertretungen seien nicht mehr wie gewohnt möglich.
Zur Frage 2:
Nach überschlägiger Auswertung könnten in der Stadtverwaltung derzeit ca. 150 Arbeitsverträge nicht verlängert werden.
Das Klinikum St. Georg meldet 21 betroffene Verträge, welche allerdings aktuell größtenteils in unbefristete Verträge umgewandelt werden. Die IRL meldet drei betroffene Verträge.
Zur Frage 3:
Stadtverwaltung
Das Anbieten mitarbeiterfreundlicher flexibler Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit, Sabbatjahr, Gewährung von Sonderurlaub, etc. setzt voraus, dass die hierdurch freiwerdenden Stellen und Stellenanteile flexibel, d. h. unter anderem befristet, besetzt werden können. Ist dies aufgrund des TzBfG nicht oder nur noch in einem geringen Maße möglich, ist zu erwarten, dass die entsprechenden mitarbeiterfreundlichen Regelungen weniger oft oder nur noch unter strengeren Voraussetzungen angeboten werden.
Kann bspw. ein Fachamt vorübergehend freiwerdende Zeitanteile mehrerer Stellen nicht durch die Bildung einer Kompensationsstelle ausgleichen, wird die Gewährung von Teilzeit zunehmend unattraktiv. Ein Rückgang der Teilzeitquote wäre zu erwarten. Aus der Mitarbeiterbefragung des Jahres 2019 ist uns indes bekannt, dass es den Beschäftigten sehr wichtig ist, flexible Arbeitszeitregelungen nutzen zu können. Würde die Stadtverwaltung dies nicht mehr anbieten oder nur noch stark eingeschränkt ermöglichen, hätte dies mit großer Wahrscheinlichkeit nachteilige Auswirkungen auf die Mitarbeiterzufriedenheit. Unter dem Gesichtspunkt der Arbeitgeberattraktivität in Zeiten von Personalmangel, demografischem Wandel und zunehmender Konkurrenz um qualifizierte Arbeitskräfte ist dies äußerst kritisch zu betrachten.
Würde im Gegenzug vermehrt unbefristet eingestellt, gleichwohl ein praktisches Bedürfnis (und eine innere Rechtfertigung) nach einer sachgrundlosen Befristung besteht, müssten für die Inhaber von Stellen, die aus Teilzeitanteilen gebildet wurden, neue Einsatzmöglichkeiten gefunden werden, sobald die ursprünglichen Stelleninhaber an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Gerade bei hoch spezialisierten Fachkräften wird dies kaum möglich sein. Es drohte dann ein dauerhafter Personalüberhang mit erheblichen finanziellen Mehrbelastungen.
Um dies zu vermeiden, würde die Stadtverwaltung folglich auf die Besetzung solcher Stellen verzichten. In der Folge stünde den Fachämtern nicht in ausreichendem Maß Personal zur Bewältigung der Aufgaben zur Verfügung. Daraus ergäben sich wiederum Mehrbelastungen für die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die geplante Verkürzung der Höchstdauer einer sachgrundlosen Befristung führt aufgrund häufigeren Personalwechsels darüber hinaus zu einem erhöhtem Einarbeitungs-, Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand.
Zusammenfassend halten wir die mit dem Referentenentwurf vorgestellte Novellierungsmöglichkeit des TzBfG aus dem Blickwinkel der Stadtverwaltung für nicht erforderlich, da bereits jetzt ein verantwortungsvoller Umgang mit sachgrundlosen Befristungen erfolgt.
Beteiligungsunternehmen
Neben dem bereits beschriebenen Flexibilitätsverlust und damit zusammenhängender strategischer Risiken werden vor allem Kostensteigerungen als Risiken benannt. Auch könnte die Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund erschwert sein, da unbefristete Anstellungen eines offenbar häufig nicht vorhandenen unbefristeten Aufenthaltstitels bedürften.
Anfrage im Allris
Antwort im Allris