Alternative Beschaffung Schulhausbau – Annahme Kaufangebot für eine
vierzügige Grundschule mit Zweifeldsporthalle mit der Rubin 72. GmbH –
eilbedürftig (VII-DS-00590-NF-02) Einreicher: Dezernat Finanzen
Aus der Ratsversammlung am 23.06.2021
Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Debatte schon vieles zur Sache gehört, aber auch viel Grundsätzliches: zum Kapitalismus, zum Sozialismus, zu seinen Errungenschaften und Auswüchsen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, worum geht es eigentlich? Es geht heute um die Entscheidung über eine Schule für unsere Kinder.
„Kurze Wege für kurze Beine“ – Herr Albrecht hat das bereits zitiert – sollte eigentlich die Leitschnur dafür sein, wie wir uns in diesem Zusammenhang entscheiden. Es liegt ein Angebot für eine Schule an einem Ort vor, der diese Voraussetzung „kurze Wege für kurze Beine“ erfüllen würde.
Natürlich hat eine solche Schule einen Preis, einen monetären Preis, aber auch einen ideellen Preis. Die Frage ist schlicht und ergreifend: Wollen wir diesen Preis dafür bezahlen? Sind unsere Kinder uns diesen Preis wert?
Nun gibt es einmal das Thema Gebäude und einmal das Thema Grundstück. Das Gebäude kostet uns 25 Millionen Euro. Es ist in der Debatte bereits deutlich geworden, dass die Stadt oder städtische Gesellschaften mit eigenem Geld und auf einem eigenen Grundstück die Schule auch nicht günstiger errichten könnten. Wir haben drei Jahre Miete zu bezahlen. Wenn wir selbst bauen, müssen wir Interim finanzieren. Die Kosten heben sich ungefähr auf. Das heißt also, das Schulgebäude als solches, mit Interim, selbst gebaut, hat ungefähr dieselben Kosten wie Kauf des Schulgebäudes plus Miete. Ein wirtschaftliches Angebot – das sollten unsere Kinder uns wert sein.
Zum Thema Grundstück: Wir brauchen das Grundstück der Stadtbau AG, was wir ja dann miterwerben müssen. Jetzt kann man sich natürlich trefflich darüber beklagen, dass der Investor nicht bereit ist, das Grundstück an die Stadt Leipzig zu veräußern. Wenn man aber selbst als Stadt – und wir haben das getan – einen Grundschatzbeschluss fasst, keine Grundstücke mehr an jemanden zu verkaufen, dann kann man das ja politisch tun. Man darf sich dann aber nicht wundern – und schon gar nicht mehr darüber aufregen -, wenn andere sagen: Wir verkaufen euch auch nichts mehr, sondern wir tauschen nur noch.
Ich will jetzt hier keinen geschichtlichen Vortrag über den wirtschaftlichen Vorteil des Übergangs von der Tauschwirtschaft zur Geldwirtschaft halten. Das ist vielleicht anderes Thema. Aber auch dieses müsste man im Hinterkopf behalten.
Die Grundstücke werden wertmäßig ausgeglichen. Also der monetäre Wert der Grundstücke kann nicht das Thema sein. Wir bekommen hier einen fairen Ausgleich. Es geht also um den ideellen Wert. Sind wir ideell bereit, diese vier Grundstücke – auch wenn sie aus mehreren Flurstücken bestehen – gegen das eine Grundstück einzutauschen.
Da haben wir insbesondere zwei, wo es um Wohnbebauung geht. Klar, wenn wir die selbst – oder eine städtische Gesellschaft – bebauen würden, hätten wir das viel besser in der Hand. Aber wir bekommen im Vertrag eine Zusicherung, dass in einem bestimmten Zeitrahmen, nämlich innerhalb von fünf Jahren, mit dem Bau begonnen wird. Zudem stehen Fördermittel bereit, und es wird eine Mietpreisbindung vereinbart.
Ich frage Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wären wir mit unseren städtischen Gesellschaften, mit dem Finanzrahmen, den wir haben, in der Lage, auf diesen Grundstücken in fünf Jahren mit dem Bau des dringend benötigten Wohnraumes zu beginnen? Stellen Sie sich die Frage und beantworten Sie die Frage für sich selbst ehrlich, dann werden Sie zum Ergebnis kommen, dass wir dazu nicht in der Lage wären.
Natürlich ist nicht auszuschließen, dass ein Investor mit Grundstücken, die er eingetauscht bekommt, spekuliert. Deswegen haben wir momentan ja auch Vertragsstrafen, Pönalen, vereinbart.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrter Herr Bonew! Ich halte Vertragsstrafen in Höhe von 10 Prozent des Verkehrswertes der Grundstücke für zu niedrig. Wenn wir uns die Grundstücke anschauen, haben wir insbesondere ein Grundstück, nämlich das in der Käthe-Kollwitz-Straße, wo wir gerade nur diese zehn Prozent haben. Wenn wir tatsächlich Spekulationen ausschließen wollen, dann muss die Pönale 20 Prozent des Grundstückswerts betragen. Wenn der Investor nicht bereit ist, die Pönale von circa 500.000 Euro zu akzeptieren, wäre auch deutlich, dass er etwas anderes im Schilde führt, als er uns momentan vorgibt. Deswegen sollten wir das hier im Stadtrat beschließen.
Wir werden nachher noch eine Auszeit haben und einen Änderungsantrag einreichen, diese Pönale für dieses Grundstück auf 500.000 Euro zu erhöhen. Dann wird deutlich, ob der Investor es ernst meint oder es nicht ernst meint. Wir wären für den Fall, dass der Investor bereit ist, diese finale Verpflichtung einzugehen, bereit, dem Gesamtpaket zuzustimmen, denn es geht um eine Schule für unsere Jüngsten in der Stadt Leipzig. – Vielen Dank.”
Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte noch einmal ganz kurz auf die verschiedenen Änderungsanträge und Änderungsvorschläge eingehen; auch deshalb, weil Herr Bonew bei der Einbringung der Vorlage nur die entsprechenden Nummern genannt hat, die die Verwaltung übernehmen würde, aber nicht die Inhalte. Da wir uns in einer öffentlichen Sitzungen befinden, ist für die Öffentlichkeit vielleicht nicht ganz deutlich geworden, wo eigentlich noch Dissens besteht und wo er nicht mehr besteht.
Das Thema Ringwasserleitung ist geklärt. Aus meiner Sicht gibt es ohnehin einen Duldungszwang für eine solche Wasserleitung, die jeder Grundstückseigentümer dulden musste. Aber ich habe Herrn Bonew so verstanden, dass der entsprechende Beschlusspunkt aus dem Antrag der SPD, den auch Herr Geisler angesprochen hat, von der Verwaltung übernommen wird. Damit ist das Problem gelöst und im Zusammenhang mit dieser Entscheidung der Schule vom Tisch.
Das zweite Thema ist Leos Brasserie. Hier handelt es sich um einen Pachtvertrag. Um einen Pachtvertrag kündigen zu können, muss man zumindest Besitzer der Immobilie sein. Wir wissen alle, dass, wenn wir das Angebot von Fahrenkamp annehmen, die Schule erst gebaut werden muss, wir sie danach für drei Jahren mieten, und dann werden wir Besitzer. Das sind also zwei Jahre Bauzeit, drei Jahre Mietzeit. Das heißt, 2025 kommt Herr Fahrenkamp gar nicht in die Situation – selbst wenn er es wollte -, den Pachtvertrag von Leos Brasserie zu kündigen.
Zudem habe ich Sie so verstanden, Herr Bonew, dass Sie diesen Beschlusspunkt aus dem SPD Antrag auch übernehmen könnten. Mein persönlicher Eindruck ist auch, dass es gar nicht um eine Neubebauung in der Innenstadt geht, sondern dass es andere Gründe gibt, warum der Investor diese Immobilie erwerben möchte. Was wir nicht auflösen können – das muss jeder für sich, jede Fraktion für sich, nachher abwägen -: Sind wir bereit, weil Geld nicht infrage kommt, weil wir Tauschgeschäfte machen, diese Grundstücke dafür herzugeben? Monetär ist das kein Problem.
Wir haben uns darauf verständigt, dass wir Wertgutachten von öffentlich vereidigten, bestellten Gutachtern bekommen. Es gibt also keine Zweifel daran, dass diese Gutachten real sein werden, dass wir einen fairen Preis bekommen. Monetär ist das kein Problem. Die Frage ist: Ist uns die Grundhaltung, dass wir die Verfügungsmacht über die Grundstücke behalten wollen, so viel wert, dass wir sagen, dass die Schule an dem Standort scheitert. Das ist letztendlich der Knackpunkt, um den es geht. Das ist keine Geldfrage, sondern eine Frage von Verfügungsmacht über Grundstücke versus Schaffung von Schulplätzen für eine Grundschule an einem bestimmten Standort.
Diese Grundsatzfrage müssen wir uns stellen, und die müssen wir entscheiden. Aber auch nur diese Frage ist jetzt zu entscheiden. Alle anderen Dinge sind geklärt. Ich glaube, wir müssen jetzt auch nicht mit Schulzuweisungen arbeiten, wer, wann, wo im gesamten Prozess Fehler gemacht hat. Wir alle müssen uns verantwortungsvoll dieser einen Frage stellen und in der Stadtratssitzung eben eine Entscheidung finden. – Vielen Dank.”
(Es gilt das gesprochene Wort)