Ausrufung Klimanotstand: Sofortmaßnahmenprogramm

Ausrufung Klimanotstand: Sofortmaßnahmenprogramm (VI-A-07961-DS-10) Einreicher: Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport

Aus der Fortsetzung der Ratsversammlung am 15.07.2020

Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin den Grünen sehr dankbar dafür, dass sie Veränderungen in ihren Anträgen vorgenommen haben und auch Prüfaufträge formuliert haben. Ich glaube, wir sind im Zieö gar nicht so weit auseinander, dass wir in puncto Klimaschutz auch hier in der Stadt einiges erreichen müssen und dass wir auch Maßnahmen ergreifen müssen. Aber wir beschließen heute nicht das Klimaprogramm der Stadt Leipzig, sondern wir beschließen Sofortmaßnahmen. Ich glaube, dass das auch den Dissens irgendwo erklärt, weil wir nicht über eine langfristige Klimastrategie entscheiden. Da hätten viele Dinge, die Sie ursprünglich als Antrag gestellt haben, auch in der zeitlichen Perspektive ihre Berechtigung. Es geht um ein Sofortmaßnahmenprogramm, und da muss man Dinge anders abwägen, zum Beispiel bei der dezentralen Energieversorgung.
Es ist richtig, dass man Alternativen zur Verfügung hat wie Photovoltaik – Frau Kraft, Sie hatten das angesprochen –, aber zu sagen: Überall dort, wo wir das dezentral nicht erreichen können, ersetzen wir es eben durch Ökostrom, ist Augenwischerei. Dadurch, dass wir Ökostrom einsetzen, wird der Strom nicht ökologischer oder grüner, und es wird nicht weniger CO2 emittiert. Die Produktion bleibt ja zumindest kurzfristig konstant. Was passiert, wenn Sie bei den Stadtwerken mehr Ökostrom einkaufen? – Der Ökostromanteil im Basistarif sinkt. Mehr passiert dabei nicht. Auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
Dann macht es eben Sinn, solche Maßnahmen zu prüfen und zu überlegen, wie man sinnvoll auch dezentral klimaneutral Strom produzieren kann. CO2-Vermeidung ist wichtig. Wasserstoff kann einen Beitrag leisten in der Zukunft. Deswegen hat das in der längerfristigen Perspektive durchaus eine größere Berechtigung als in einem Sofortmaßnahmenprogramm. Deswegen macht der Prüfauftrag hier Sinn.
Ich bin Herrn Zenker sehr dankbar, dass er auf die anderen Maßnahmen hingewiesen hat, die wir ergreifen, die wir auf der Tagesordnung haben. Das ist auch das Thema Mobilitätsstrategie. Sie haben gesagt: Na ja, die Dinge, die hier drinstecken, sind im Einzelfall vielleicht gar nicht so teuer. Dem, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich widersprechen, denn die Frage ist: Wer zahlt es denn am Ende? – Bei der Mobilitätsstrategie, wenn wir über neue Schienenstraßen in der Stadt Leipzig reden, dann zahlen wir es als Stadt Leipzig oder wir als Stadt Leipzig über unsere Tochtergesellschaft LVV. Dann sind es unsere Investitionen.
Wenn wir aber Vorgaben für neue Baugebiete machen, dann kostet uns die Vorgabe erst einmal nichts. Aber sie muss natürlich bezahlt werden von den Investoren in den Baugebieten, die natürlich diese Investitionen an ihre Mieter weiterreichen. Das heißt, natürlich bezahlt das jemand, die Mieterinnen und Mieter, die in den Baugebieten wohnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben vor einer Woche zwei Förderprogramme beschlossen: Förderprogramme zur Mietsenkung für große Wohnungen und Förderprogramme zur Mietsenkungen von Anfangsmieten, weil man offensichtlich hier im Stadtrat der Auffassung ist, dass das Mietniveau in Leipzig zu hoch ist. Dass man angesichts dieser Tatsache dann einfach mal in einem Sofortmaßnahmenprogramm Dinge vorschreibt, die sich drastisch auf den Wohnungsmarkt auswirken, nämlich in Form von höheren Mieten, ist für mich nicht nachvollziehbar, weil man beide Dinge im Auge behalten muss. Deswegen gehören eben solche Entscheidungen in ein mittel- und langfristiges Programm, damit man auch sehen kann, wie man diese Dinge sozialverträglich umsetzen kann, und eben nicht in einem Sofortmaßnahmenprogramm.
Ich denke, dass wir insgesamt mit den Verwaltungsstandpunkten in der Synopse eine gute Grundlage für die jetzige Abstimmung haben. Wir sind, wie gesagt, inhaltlich gar nicht so weit auseinander. Jetzt kommt es auf die Perspektive an. Ich denke, dass wir mit dem Beschluss heute nämlich die Grundlage für den Klimaschutz in Leipzig für die nächsten Jahre schaffen. – Vielen Dank.

(Es gilt das gesprochene Wort)

Genehmigungskriterien in Gebieten mit Sozialer Erhaltungssatzung in Leipzig

Antrag:

1. Der Oberbürgermeister beauftragt die Verwaltung nach Beschlussfassung durch den Stadtrat mit der Anwendung der Genehmigungskriterien gemäß VI-DS-08248 in wie folgt zu ändernder Form, wobei jede zukünftige Änderung der Genehmigungskriterien der Zustimmung des Stadtrates bedarf:

a) Abschnitt 2.1.1 “Für folgende Maßnahmen im Sinne § 59 und § 61 SächsBO zur Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen wird erhaltungsrechtlich eine Genehmigung bzw. Zustimmung erteilt” wird im vierten Anstrich wie folgt ergänzt:

    • Antennen-, Kabelfernseh- und Gegensprechanlagen (Audio) sowie Internetversorgung einschließlich Glasfaserleitungen (FFTH) bis zur Gigabitversorgung

b) In Abschnitt 2.1.2 “Für folgende Maßnahmen wird erhaltungsrechtlich keine Genehmigung erteilt” wird gestrichen und Abschnitt 2.2.3 “… Prüfung im Einzelfall” zugeordnet:

    • Auflösung separater Küchen, insofern keine Änderung der Wohnfläche erfolgt

c) In Abschnitt 2.2.2 “Für folgende Maßnahmen wird erhaltungsrechtlich keine Genehmigung erteilt” wird der erste Anstriche gestrichen und wie folgt geändert in 2.2.3 “Für folgende Maßnahmen kann erhaltungsrechtlich eine Genehmigung nach Prüfung im Einzelfall erteilt werden” eingefügt:

      • Maßnahmen zur Energieeinsparung, die über die Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen der EnEV an bestehende Gebäude und Anlagen in der bei Antragstellung geltenden Fassung hinausgehen, (Ausnahmen vgl. Pkt 2.2.3) insofern die Senkung des Energiebedarfes nachgewiesen wird.

Korrespondierend wird in 2.2.3 “Für folgende Maßnahmen kann erhaltungsrechtlich eine Genehmigung nach Prüfung im Einzelfall erteilt werden” der dritte Anstrich gestrichen:

    • Anbringung von Wärmedämmung (..) nachgewiesen wird

2. Beschreibung des Standards für Gebiete in der Stadt Leipzig mit „Sozialer Erhaltungssatzung“ zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches

Die Regelung Nummer 3.3., Punkt 2 wird wie folgt gefasst:

„Nutzungsänderung von leerstehendem Wohnraum in Erdgeschosslage in Gewerbe sowie einzelnem Wohnraum in kulturelle oder soziale Nutzung, wenn damit die Stadtteilentwicklung gemäß städtischer Ziele oder die Wiederbelebung in Magistralen erfolgen kann“

3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Genehmigungskriterien, wie in der Vorlage VI-DS-08248 beschrieben, zu konkretisieren und dem Stadtrat bis zum 31.08.2020 31.07.2020 zur Beschlussfassung vorzulegen.

Um den städtischen Zielen „Stadt der kurzen Wege“ und nutzungsgemischten Wohnquartieren Rechnung zu tragen, sollen Nutzungsänderungen und bauliche Maßnahmen, die eine Umwandlung von Gewerberäumen, insbesondere in der Erdgeschosszone in Wohnungen, zur Folge haben, einer Einzelfallprüfung unterzogen werden.

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den Stadtrat sowie die betreffenden Stadtbezirksbeiräte halbjährlich durch einen Sachstandsbericht über den aktuellen Stand der abgelehnten Genehmigungen, Einzelfallentscheidungen und genehmigungsfreien Bauvorhaben sowie Nutzungsänderungen zu informieren.

Begründung:

Die Begründung erfolgt mündlich.

Status:

Der Antrag wurde von der Ratsversammlung am 11. November 2020 zurückgezogen

Antrag im Allris

Verwaltungsstandpunkt im Allris

Zurückstellung von Bauanträgen

Anfrage:

Bezugnehmend auf die Aufstellungsbeschlüsse Sozialer Erhaltungssatzungen in Teilen der Stadt Leipzig fragen wir an:

  1. Wie viele Bauanträge wurden seit Beschluss zur Einrichtung von Erhaltungssatzungen zurückgestellt?
  2. Wie viele davon würden zu einer CO2- Einsparung führen?
  3. Wie viele Tonnen CO2 könnten jährlich eingespart werden, wenn diese Maßnahmen umgesetzt würden?

Anfrage im Allris

Antwort (mündlich in der Ratsversammlung):

Bürgermeisterin Dubrau:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Es geht um die Zurückstellung von Bauanträgen in den Bereichen, wo der Stadtrat eine Aufstellung von Erhaltungssatzungen beschlossen hat. 

Zu Frage eins:

Seit den Aufstellungsbeschlüssen des Stadtrates wurden 50 Bauvorhaben geprüft und 24 zurückgestellt. Bei den anderen konnte die Möglichkeit auch durch Änderung ergriffen werden, dass diese Bauanträge ganz normal bearbeitet werden. 

Zu Frage zwei:

Die Zurückstellung gemäß § 15 BauGB bedeutet nicht, dass ein Bauvorhaben letztendlich nicht realisiert werden kann. Die Zurückstellung bedeutet nur, dass die Entscheidung über den Bauantrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, der gesetzlich verankert ist und nicht beliebig verlängert werden kann, herausgeschoben wird. Das ist maximal ein Jahr. Fragen zu einer CO2-Einsparung können nicht beantwortet werden, weil hier keine vergleichbare Datenerfassung und damit keine Auswertung möglich ist. 

Zu Frage drei:

Mit den vom Stadtrat beschlossenen Aufstellungsbeschlüssen zum Erlass der Erhaltungssatzung auf der Grundlage des Baugesetzbuches soll die Bevölkerungsstruktur bei Beseitigung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen trotzdem erhalten bleiben. Auf dieser Grundlage lässt sich der Ausstoß von CO2 nicht steuern. Die Verfolgung dieser Ziele ist mit der vorgenannten Rechtsgrundlage der Erhaltungssatzung beziehungsweise des Aufstellungsbeschlusses unabhängig davon nicht realisierbar. Das Thema ist aber natürlich zuerst Aufgabe der Stadt. – Danke schön. 

Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Frau Dubrau! Wenn Sie das Merkmal CO2-Einsparung im Rahmen der Antragstellung nur mit Mühe erkennen können: Ist es dann möglich, im Rahmen der Antragstellung von Bauanträgen zu erkennen, ob eine energetische Sanierung Bestandteil des Bauantrages ist? – Das ist also erkennbar. Dann würde ich gerne nachfragen: In wie vielen dieser 24 Fälle, die zurückgestellt wurden, war denn eine energetische Sanierung Teil des Bauantrages? 

Bürgermeisterin Dubrau:

Das müsste ich prüfen. Das kann ich natürlich so nicht sagen. Ich muss aber ganz eindeutig sagen: Das Thema der Energiesparverordnung, die ja in diese Richtung geht, ist kein Thema, wonach ein Bauantrag zurückgestellt werden kann, sondern das gehört zu dem, was auf jeden Fall auch genehmigt wird. 

Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Das war nicht die Frage. Ich kann verstehen, dass Sie die Zahl jetzt nicht präsent haben, deswegen würde ich Sie bitten, die Zahl nachzureichen. 

Bürgermeisterin Dubrau:

Ja, danke. Das mache ich. 

Morlok (FDP): “Wer einen Klimanotstand ausruft, muss auch Sofortmaßnahmen umsetzen.”

In der Debatte zur Ausrufung des Klimanotstandes durch die Stadt Leipzig äußerte Sven Morlok, Fraktionsvorsitzender der Fraktion Freibeuter, deutliche Kritik an Oberbürgermeister Jungs butterweicher Haltung zum Klimaschutz: “Populismus ist nicht nur links oder rechts, sondern überall dort, wo man einen einfachen Weg geht, wo man auf einer Welle mit schwimmt und keine Haltung zeigt. Der Oberbürgermeister spricht sich für einen Notstand aus, ändern sollte sich jedoch nichts.”

Die von der Fraktion Freibeuter konsequenterweise vorgeschlagenen konkreten Maßnahmen für die Stadtverwaltung, wie den Verzicht auf Anschaffung weiterer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf Basis fossiler Energieträger für die Stadtverwaltung, die Eigenbetriebe und die Beteiligungsunternehmen sowie die Vermeidung von Dienstreisen mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Basis fossiler Energieträger hatte der Stadtrat mehrheitlich angenommen. “Mit dem Beschluss konkreter Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes hat der Stadtrat dem Oberbürgermeister die rote Karte gezeigt”, so der Freidemokrat Morlok.

Die Fraktion Freibeuter sprach sich jedoch gegen die Formulierung eines Klimanotstandes aus.