Kommunale Kindertagesbetreuung in Leipzig für unter Einjährige

Anfrage:

Bis Ende des Jahres 2020 stellt der Oberbürgermeister allen Kindern bis Schuleintritt einen Kitaplatz in Aussicht. Der Zeithorizont für eine “Vollbetreuung” wurde mehrfach innerhalb des Jahres 2020 verschoben, in der Antwort auf die Anfrage VII-F-01454-AW-01 in der Ratsversammlung am 08. Juli 2020 jedoch letztmals bekräftigt.

Auf der Homepage des Amtes für Jugend, Familie und Bildung der Stadt Leipzig sind kommunale Kindertageseinrichtungen aufgeführt, die auch unter Einjährige in der Einrichtung aufnehmen. Dieser Sachverhalt entzieht sich jedoch auf Nachfrage der Kenntnis der Mitarbeiter des Amtes für Jugend, Familie und Bildung.

Hierzu fragen wir an:

  1. Welche kommunale Einrichtungen nehmen Kinder unter einem Jahr auf?
  2. Betrifft die in Aussicht gestellte Deckung des Bedarfes an Betreuungsplätzen auch Kinder unter einem Jahr?
  3. Warum sprechen Mitarbeiter der Beratung beim Amt für Jugend, Familie und Bildung auch nach der Aussage des Oberbürgermeisters zur “Vollbetreuung” von einer angespannten Lage bei der Frage nach einem Betreuungsplatz zum Schuljahreswechsel 2021/2022, machen zusätzlich sogar wortwörtlich “keine Hoffnung auf einen Kitaplatz für unter Einjährige”?
  4. Welcher Unterschied besteht aus Sicht des Oberbürgermeisters vor dem Hintergrund des Handlungsbedarfs der Stadt Leipzig zwischen § 24 Abs. 1 SGB VIII und § 24 Abs. 2 SGB VIII?
  5. Aus welchen Gründen ist Mitarbeitern der Beratung des Amtes für Jugend, Familie und Bildung § 24 Abs. 1 SGB VIII nicht bekannt?
  6. Wie viele Kinder unter einem Jahr sind zum Schuljahreswechsel 2020/2021 in kommunale Einrichtungen aufgenommen worden?

Anfrage im Allris

Antwort:

Die Anfrage wurde mündlich in der Ratsversammlung zum 14.10.2020 beantwortet.

Bürgermeisterin Felthaus: “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete! Liebe Stadträtinnen und Stadträte! Liebe Gäste! Ich darf die Anfrage zur kommunalen Kinderbetreuung in Leipzig für unter Einjährige beantworten, die von der Fraktion der Freibeuter gestellt wurde.

Zur ersten Frage: Welche kommunalen Einrichtungen nehmen Kinder unter einem Jahr auf? – Ich lese Ihnen jetzt nicht die Adressen vor, aber es sind 18 integrative Kindertagesstätten ohne integratives Angebot. Die Einrichtungen sind gut über das Stadtgebiet verteilt.

Die zweite Frage: Betrifft die in Aussicht gestellte Deckung des Bedarfs an Betreuungsplätzen auch Kinder unter einem Jahr? – Die in Aussicht gestellte Deckung des Bedarfs an Betreuungsplätzen zielt vor allem auf die Erfüllung des Rechtsanspruchs ab Vollendung des ersten Lebensjahres ab, so wie es § 24 Abs. 2 SGB VIII vorsieht. Es wird jedoch berücksichtigt, dass Eltern, die für ihr Kind ab Vollendung des ersten Lebensjahres eine Betreuung wünschen und noch in der Eingewöhnungsphase im ersten Lebensjahr nachfragen, die auch erhalten sollen. 

Die Betriebserlaubnisse der überwiegenden Zahl der Kindertageseinrichtungen sehen dies auch genauso vor. Die gelten meist von 0 bis 7 Jahren. Für deutlich jüngere Kinder ist die Nachfrage nach Betreuungsplätzen gegenwärtig vergleichsweise gering. Die meisten Anfragen haben wir ab dem 9. und 10. Lebensmonat. Bei der Planung von Betreuungsplätzen wird die Altersgruppe der unter einjährigen Kinder mit einem Anteil von circa 2 Prozent der wohnhaften Kinder berücksichtigt. In den letzten Jahren lag der Anteil der tatsächlich betreuten Kinder unter dieser Marke. Dies gilt auch unter Einrechnung der Kinder, die sich kurz vor Vollendung des ersten Lebensjahres befinden. Meist findet ja die Eingewöhnung doch noch einmal im 12. Lebensmonat statt.

Dritte Frage: Warum sprechen Mitarbeiter der Beratung beim Amt für Jugend, Familie und Bildung auch nach der Aussage des Oberbürgermeisters zur „Vollbetreuung” von einer angespannten Lage bei der Frage nach einem Betreuungswechsel beim Schuljahreswechsel 2021/2022, machen zusätzlich sogar wortwörtlich „keine Hoffnung auf einen Kitaplatz für unter Einjährige“? – Vorrangig wird der Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung ab dem ersten Lebensjahr nach § 24 Abs. 2 SGB VIII um
gesetzt. Sind darüber hinaus freie Plätze vorhanden, können im Einzelfall auch Kinder unter einem Jahr aufgenommen werden. In den Beratungsgesprächen im Amt für Jugend, Familie und Bildung wird neben den Aufnahmemöglichkeiten für unter einjährige Kinder in Kitas und in der Kindertagespflege informiert, die gegebenenfalls eine gute Alternative dafür ist.

Vierte Frage: Welcher Unterschied besteht aus Sicht des Oberbürgermeisters vor dem Hintergrund des Handlungsbedarfs der Stadt Leipzig zwischen § 24 Abs. 1 SGB VIII und § 24 Abs. 2 SGB VIII? – Gemäß § 24. Abs 2 und Abs. 3 SGB VIII haben Kinder, die das erste bzw. dritte Lebensjahr verändert haben, einen unbedingten Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Demgegenüber betrifft § 24 Abs. 1 SGB VIII Aussagen zum Vorhalten von Plätzen für Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ein subjektiver und durchsetzbarer Anspruch des jeweiligen Kindes auf einen Betreuungsplatz besteht dabei nicht. Derzeit sieht die Stadt Leipzig über die geplanten Maßnahmen hinaus keinen gesonderten Handlungsbedarf für die Betreuung von Kindern unter einem Jahr. 

Die fünfte Frage: Aus welchen Gründen ist Mitarbeitern in der Beratung des Amtes Jugend, Familie und Bildung § 24 Abs. 1 SGB VIII nicht bekannt? – Die Mitarbeiter*innen sind mit den gesetzlichen Grundlagen vertraut. Es wurde hierzu schon bei Frage 4 deutlich gemacht, dass noch einmal zwischen dem Rechtsanspruch und dem, was tatsächlich angefragt wird, unterschieden wird.

Frage sechs: Wie viele Kinder unter einem Jahr sind zum Schuljahreswechsel 2020/2021 in kommunale Einrichtungen aufgenommen worden? – Zum Stand 6. Oktober sind 17 Betreuungsverträge in kommunalen Kitas zur Aufnahme bis 31.12. vorbereitet bzw. geschlossen worden, bei denen das Alter der Kinder zwischen neun und elf Monaten liegt.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Morlok (FDP): “Spätes Eingeständnis persönlicher Fehler des Oberbürgermeisters im Bereich Jugend, Familie und Bildung”

Mit der Trennung der Zuständigkeiten des Bereiches für Jugend, Familie und Bildung im Rahmen der Vorlage zur zukünftigen Dezernatsstruktur in die Bereiche Soziales, Gesundheit und Vielfalt sowie Jugend, Schule und Demokratie setzt der Oberbürgermeister eine seit Jahren angeregte Forderung der Freibeuter im Leipziger Stadtrat um.

“Die Trennung der Zuständigkeiten im Bereich Jugend, Familie und Bildung war längst überfällig. Das Amt ist mit Hilfen zur Erziehung, Kitas und Schulen seit Jahren völlig überfordert. In der Umstrukturierung zeigt sich ein spätes Eingeständnis persönlicher Fehler des Oberbürgermeisters im Bereich Jugend, Familie und Bildung angesichts fehlender Kitaplätze und aus allen Nähten platzenden Schulen”, so der Vorsitzende der Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat Sven Morlok.

“Wenn angesichts explodierender Ausgaben im Bereich Hilfen zur Erziehung – zuletzt um 40 Millionen Euro auf über 100 Millionen Euro – zwei Dezernenten für bessere Strukturen, eine straffere Führung und ein nachhaltigeres Controlling nur ein Prozent sparen helfen, dann wären die Personalmehrausgaben für die neue Dezernatsstruktur schon finanziert”, so der Freidemokrat weiter.

Neue Strukturen

Neue Strukturen

Amtsblatt:

Vor einigen Jahren wurden das Jugendamt und das Schulverwaltungsamt zum Amt für Jugend, Familie und Bildung zusammengeführt. Man versprach sich Synergieeffekte, um die anfallenden Aufgaben besser bearbeiten zu können.

Heute muss man leider sagen: Das Experiment ist gescheitert. Denn inzwischen sind in diesem Mega-Amt die drei großen Problemlagen Leipzigs beheimatet. Erstens der Schulbau, zweitens der Kitabau, drittens die Hilfen zur Erziehung. Objektiv betrachtet muss mit der Bewältigung dieser Herkules-Aufgaben jeder Amtsleiter schlicht und einfach überfordert sein. Statt Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln, zählt das Eilen des Amtsleiters von einer Baustelle zur nächsten zu seinem täglichen Geschäft.

Deshalb fordern wir, spätestens zum Anfang der nächsten Wahlperiode, das Amt aufzulösen und die Ämterstruktur im Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule neu zu ordnen. Bei dieser Gelegenheit gilt es darüber nachzudenken, wie diese neuen Strukturen gestrafft und effektiver gestaltet werden können. Auch, um auf einem enger werdenden Arbeitsmarkt und im Kampf um die besten Köpfe bestehen zu können. Nutzen Sie die Möglichkeit und kontaktieren Sie uns mit Fragen und Anregungen per E-Mail an: info@freibeuterfraktion.de.

 

Naomi-Pia Witte, Stadträtin

Veröffentlicht im Amtsblatt der Stadt Leipzig am 29. September 2018