Ersatzneubau Leutzsch-Wahrener Brücke (II/5) im Zuge der Gustav-Esche-Straße über die Nahle – Bestätigung der Vorzugsvariante

Ersatzneubau Leutzsch-Wahrener Brücke (II/5) im Zuge der Gustav-Esche-Straße über die Nahle – Bestätigung der Vorzugsvariante (VI-DS-08098) Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und Bau

Aus der Ratsversammlung am 14.10.2020

Stadtrat Köhler (Freibeuter): “Sehr geehrter Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren Beigeordnete! Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream! Werte Pressevertreter! Es gäbe viele Gründe für eine Beschränkung des zulässigen Gesamtgewichts oder der zulässigen Gesamtlänge bei der Durchfahrt von Lkw auf der Strecke, über die wir jetzt sprechen, nämlich die Trasse Linkelstraße, am Wahrener Rathaus, Am Hirtenhaus, Rittergutsstraße, Gustav-EscheStraße bis zum Am Ritterschlößchen am Leutzscher Bahnhof. Die Straßen gehören bekanntermaßen zum Mittleren Ring West und sind somit ein zentraler Bestandteil der verstärkten Entlastung der erweiterten Innenstadt vom Durchgangsverkehr. Das wäre natürlich von vornherein ein Totschlagargument für unseren Antrag.

Schauen wir uns die Trasse aber genauer an, dann sehen wir, dass nach allen bekannten, geplanten und angedachten Baumaßnahmen – also die Brücken in der Georg-Schwarz-Straße, Nahle-Brücke, später die Brücke über die Neue Luppe und ein eventueller Ausbau der Kreuzung Georg-Schumann-Straße/Linkelstraße – ein Grundproblem für den Lkw-Verkehr ist, dass nämlich das Nadelöhr Linkelstraße, FriedrichBosse-Straße, Am Hirtenhaus, Rittergutsstraße bis Gustav-Esche-Straße nicht beseitigt wird. Das ist ein Nadelöhr, das viel zu eng für einen Lkw-Verkehr ist.
Eine Trassenführung über die Stahmelner Straße – davon sprach Kollege Schultz gerade, das ist diese Strecke für Insider – verbietet sich genau aus demselben Problem. Diese Strecke ist aufgrund der engen Kurven besonders um den Opferberg herum nur beschränkt für Lkw nutzbar. Wird die Strecke also nach allen Baumaßnahmen – die jetzige Beschränkung des zulässigen Gesamtgewichts gilt nur für die Brücken über die Nahle und die Neue Luppe – freigegeben, dann ist besonders bei Sperrung der B 186 zwischen Schkeuditz und Dölzig im Sinne des Mittleren Rings West ein erhöhtes LkwAufkommen zu erwarten. Dies wird im oben genannten Bereich zu einer untragbaren Situation für Anwohner, für die dort befindliche Schule und natürlich auch für den ÖPNV führen.

Kolleginnen und Kollegen Stadträte, wir beantragen die Prüfung einer Beschränkung des zulässigen Gesamtgewichts oder der zulässigen Gesamtlänge bei Durchfahrt von Lkw auf dieser Trasse auch nach Abschluss aller benannten Baumaßnahmen aus diesem Grunde.
Ein anderer Grund wäre, dass die Aue keinen Lkw-Verkehr braucht. Das ist aber ein anderes Thema, nicht Grund dieses Antrags, obwohl ich das natürlich vollständig vertrete. Dem Antrag der Grünen – jetzt spreche ich für mich – stimme ich persönlich zu.

Dem Antrag der CDU-Fraktion, die Prüfung einer Busspur, stimme ich auch zu. – Danke.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

 

Einrichtung des Migrantenbeirates für die VII. Wahlperiode

Einrichtung des Migrantenbeirates für die VII. Wahlperiode (VI-DS-06063-DS01-NF-03) Einreicher: Dezernat Allgemeine Verwaltung

Aus der Ratsversammlung am 07.10.2020

Stadtrat Morlok (Freibeuter): Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist ganz gut, wenn wir uns noch einmal vergegenwärtigen, worüber wir heute zu entscheiden haben. Geht es um die Frage einer Interessenvertretung der Ausländer oder der Migranten in der Stadt Leipzig und das entsprechende Wahlverfahren, oder geht es um den Beirat der Stadt Leipzig, der uns als Stadträte in Migrationsfragen beraten soll? Ich denke, Sie stimmen mir zu: Das ist ein Unterschied.

Wenn ein Unternehmen wie eine GmbH einen Beirat bildet, weil man sich von fachkompetenten Leuten in einem Beirat beraten lassen will, wird das Unternehmen diese Personen, von denen es beraten werden möchte, sicherlich persönlich auswählen. Ähnliches könnte man sich auch überlegen, wenn ein Stadtrat einen Beirat bildet: Man wählt die Personen, von denen man beraten werden möchte, aus.

Auf der anderen Seite haben wir aber tatsächlich das bereits angesprochene Demokratiedefizit. Ich habe, als ich Mitglied des Migrantenbeirats wurde, wahrgenommen, dass es einen ganz großen Wunsch im Bereich der Migranten gibt, eine gewählte Interessenvertretung zu bekommen, einen Wahlakt zu haben. In der Tat haben die bei uns lebenden Ausländer, die keine EUStaatsbürgerschaft haben, nicht die Möglichkeit, den Stadtrat zu wählen.

Das war dann auch der erste Ansatz der Suche nach einem Kompromiss, zu sagen: Es gibt diejenigen, die für die Kommunalwahl und für den Stadtrat wahlberechtigt sind, und diejenigen, die nicht wahlberechtigt sind, sollen die Möglichkeit haben, in einer indirekten Wahl eine Vorschlagsliste ihrer Vertreter zu bestimmen. Das war die erste Idee, der erste Kompromiss. Wir haben gemerkt, dass dieses Modell bei den migrantischen Vertretern große Probleme verursacht hat.

Ein weiterer Schritt hin zu einem Kompromiss war dann, zu sagen: Okay, auch die EU-Staatsbürger, obwohl sie Kommunalwahlrecht haben, sollen bei

dieser indirekten Wahl das aktive und passive Wahlrecht bekommen.

Man hat dann in einem weiteren Schritt die Säule der Gewählten im Migrantenbeirat zahlenmäßig vergrößert, um einfach die Partizipation zu vergrößern. Dieses Modell hat dann in einer Sondersitzung des Migrantenbeirats, die extra zu diesem Zweck einberufen wurde und die nebenan im Festsaal stattgefunden hat, wo es nur den einen Tagesordnungspunkt „Wahlmodell“ gab – alle wussten, was auf dieser Sitzung zu entscheiden ist -, eine Mehrheit von 7 zu 3 Stimmen bekommen. Sie können sich vorstellen, dass ich reichlich verwundert war, dass dasselbe Modell im selben Beirat einige Monate später mit 6 zu 6 Stimmen abgelehnt worden ist. Darüber war ich auch persönlich etwas überrascht gewesen.

Wir haben uns in der Fraktion das Thema nicht leicht gemacht. Wir waren hin- und hergerissen von dem Wunsch nach Partizipation auf der einen Seite und auf der anderen Seite der dann folgenden notwendigen positiven Diskriminierung von Migranten von Amts wegen. Das ist nicht so ganz trivial; Herr Hörning hat das bereits ausgeführt. Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass wir in Deutschland von Amts wegen Deutschen den Stempel „Migrant“ aufdrücken.

Ich bin nach wie vor hin- und hergerissen, bin aber bereit, im Interesse eines Kompromisses hier einen Schritt weiterzugehen und habe daraufhin auch auf Initiative von Herrn Zenker diesen Änderungsantrag als Antragsteller mit unterstützt, weil ich der Auffassung bin: Wir müssen diesen Prozess endlich beenden. Wir müssen zu einer Neubesetzung des Migrantenbeirats kommen. Es wäre verheerend, wenn aufgrund der Abstimmung heute nichts entschieden würde und wir das alte Verfahren noch einmal durchführen müssten.

Zum Antrag der Grünen und zum Thema Frauenquote: Ich kann mich sehr gut an die Diskussion im Migrantenbeirat erinnern, bei der wir über das Wahlverfahren gesprochen haben. Das Wahlverfahren, die Benennung der Vertreter aus den Vorschlagslisten ist eins zu eins das, was der Migrantenbeirat vorgeschlagen hat. Hier hat man nichts geändert. Also das ist ohne diese geschlechterspezifische Präferierung genau so vom Migrantenbeirat gewollt worden. Es wurde im Migrantenbeirat extra abgewogen, ob man noch eine weitere Differenzierung vornehmen möchte, also neben den Regionen auch noch Geschlechter, aber es war der ausdrückliche Wunsch des Migrantenbeirats gewesen, dies nicht zu tun. Ich glaube, das gehört hier auch zur Wahrheit, wenn man diese Diskussion im Migrantenbeirat entsprechend darstellt.

Ich bitte Sie – für meine Fraktion schweren Herzens -, diesem Kompromiss, wie er von den vier Personen heute vorgelegt worden ist, zuzustimmen, weil wir endlich eine Lösung brauchen. – Vielen Dank.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen (hier: Widerspruch des OBM zu Satz 2)

Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen (hier: Widerspruch des OBM zu Satz 2) (VII-A00898-NF-02) Einreicher: Fraktion Freibeuter

Aus der Ratsversammlung am 07.10.2020

Stadtrat Köhler (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bonew! Meine Damen und Herren Beigeordnete! Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Liebe Zuschauer im Saal und am LiveStream! Werte Pressevertreter! Wir haben unseren Antrag geändert. Darin steht nicht mehr „Freihalten der Flächen“, sondern das Freihalten eben dort, wo eine unmittelbare Gefahr droht.

Okay, ich fange einmal an; es sei mir ein wenig Sarkasmus erlaubt: Wäre die entscheidende Prüfungsfrage bei einer Führerscheinprüfung: Ist das Parkverbot im Kreuzungsbereich gemäß § 12 Abs. 3.1 verboten, um a) Autobesitzer am Parken zu hindern und sie zu bestrafen, wenn sie es doch tun, oder b) eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer zu vermeiden? – Nun stünde der Verfasser des Widerspruchs vor einem Dilemma. Im Widerspruch ist nämlich gesagt: kein Straf- oder Sanktionscharakter. Die Antwort a) stellt in der Definition einen Straf- bzw. Sanktionscharakter im Falle des Abschleppens fest, würde aber zum Nichtbestehen der Prüfung führen. Die Antwort b) würde zum Bestehen der Führerscheinprüfung führen, rechtfertigt aber den Satz 2 unseres Antrages.

Sarkasmus beiseite: Ich konstatiere hier, dass die Stadtverwaltung einfach Unwillen zeigt, sich des Problems der Verkehrssicherheit anzunehmen.

Um kurz auf das wiederholt zitierte Urteil des OVG Hamburg einzugehen, kann ich hierzu nur sagen, auch wenn ich kein Jurist bin: Spezielles Recht ist schlechtes Recht. Den Volltext des Urteils „Unverhältnismäßige Abschleppanordnung bei ersichtlich kurzzeitigem Falschparken“ – die Betonung liegt hier bei „ersichtlich kurzzeitigem“ – erspare ich mir.

Zur Information nur so viel: Die Polizei beobachtet eine junge Mutter, wie sie halb auf dem Bürgersteig einparkt, um ihr Kind in die Kita zu bringen. Auf Ansprache sagt sie: Ich bin gleich wieder da.

Trotzdem ruft die Polizei ein Abschleppfahrzeug. Ende der Geschichte: Der Pkw ist weg, als der Abschleppwagen eintrifft, und die Frau weigert sich, die Leerfahrt zu bezahlen. Jetzt frage ich mal die Juristen unter uns: Ist das ein wirkliches Referenzurteil zu verkehrsgefährdend parkenden Fahrzeugen? – Ich würde eher das Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern nehmen, welches feststellt, dass das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Pkw in Fußgängerzonen regelmäßig mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist und das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung nicht erforderlich ist. Aber es geht nicht um meine Vorlieben für irgendein Urteil.

Der andere Punkt ist der Begriff „bevorzugte Maßnahme“. Den haben wir bewusst gewählt, denn dieser schließt eine Einzelfallentscheidung nicht aus. Sonst hieße es „generelle Maßnahme“. Mehr dazu sage ich nicht, ich gleite sonst in die Diskussion über Begrifflichkeiten, ja, wahrscheinlich von unbestimmten Rechtsbegriffen ab.

Ich sehe es entgegen der im Widerspruch formulierten Auffassung so: Wenn ein Auto zum Beispiel im Kreuzungsbereich – oben genannter Paragraf – steht, verursacht das durch die Sichtbehinderung für Fußgänger, Radfahrer, andere Autofahrer eine unmittelbar bevorstehende Gefahr. Ist also der Fahrer nicht anwesend, so ist ein Abschleppen verhältnismäßig und angemessen. Da die Prüfung und Durchführung durch den Mitarbeiter des Ordnungsamtes oder die Polizei erfolgt, bleibt das eine Einzelfallentscheidung.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen: Es geht um Verkehrssicherheit. Durch zum Beispiel in Kreuzungsbereichen, auf Radwegen oder anderen kritischen Stellen, die eben aus diesem Grund Parkverbotsflächen sind, parkende Autos werden besonders die schwächsten Teilnehmer im Straßenverkehr, also Fußgänger, Radfahrer, aber auch andere Autofahrer, gefährdet.

Ein Hinweis noch zum Schluss: Durch die Erklärung der Rechtswidrigkeit einer Regelentscheidung im Widerspruchsschreiben widerspricht der OBM zum Beispiel den Regelungen in anderen Städten, wie in Berlin. In Berlin heißt es:

Im Hinblick auf die hohe Verkehrsdichte und die in vielen Bereichen begrenzten Möglichkeiten zum Halten und Parken werden Fahrzeuge häufig so abgestellt, dass konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen und dadurch insbesondere Verkehrsgefährdungen oder -behinderungen zu befürchten sind. Die Überwachungskräfte der bezirklichen Ordnungsämter oder die Polizei sind daher verpflichtet, neben den gebotenen Ahndungsmaßnahmen stets zu prüfen, ob diese Fahrzeuge zur Abwehr der Gefahren umgesetzt werden müssen.

Danach kommt:

Wann wird regelmäßig umgesetzt?

Beim verbotswidrigen Parken in folgenden Bereichen muss regelmäßig mit der Anordnung des Umsetzens gerechnet werden:

Statt der generellen Ablehnung unseres Antrages wäre es möglich gewesen, gemeinsam mit dem Stadtrat eine Lösung, wie zum Beispiel die Berliner, zu finden. Dazu gehört aber der Wille, sich diesem Problem zu stellen.

Ich halte die Neufassung unseres Antrags in beiden Punkten aufrecht und bitte um Ihre Zustimmung.”

Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn hier jemand nicht zu Ende denkt, sind es nicht die Freibeuter, sondern dann ist es der Oberbürgermeister, weil es gerade Herr Oberbürgermeister Jung ist, der jetzt nicht anwesend ist, der eben anderer Auffassung ist. Er ist nämlich der Auffassung: Das Parken auf Radwegen ist in der Regel nicht verkehrsgefährdend. Deswegen hat er Widerspruch eingelegt. Herr Jung ist der Auffassung: Das Parken im Kreuzungsbereich ist in der Regel nicht verkehrsgefährdend. Deswegen hat er Widerspruch eingelegt. Der Mann mit dem Erkenntnisdefizit sitzt nicht in der Freibeuter-Fraktion, sondern an der Spitze der Stadtverwaltung. Das ist das Problem, das wir hier haben.

Es ist auch kein Problem der Mitarbeiter. Wir haben ein großes Vertrauen in das, was die Mitarbeiter der Polizei und auch im Ordnungsdienst leisten. Es ist eine Führungsfrage. Die Frage ist, welche Leitlinien oder welches Beispiel man Mitarbeitern in der Arbeitserfüllung gibt oder geben will.

Wenn man sich hier als Oberbürgermeister spitzfindig mit Rechtsfragen beschäftigt und Widerspruch einlegt, anstatt die Arbeit zu machen und für die Sicherheit auf unseren Straßen zu sorgen, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort verunsichert sind. Wenn wir einen Oberbürgermeister hätten, der hier eine klare Linie hätte und dies auch immer wieder öffentlich deutlich machen würde, dann wäre für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klar, was sie machen müssten, und sie würden auch in dieser Frage anders undangstfreier entscheiden. Es geht also darum, ob man es politisch will oder nicht will. Herr Jung will es nicht. Der Stadtrat hat gezeigt, dass er es will, also sollten wir es heute noch einmal beschließen. – Vielen Dank.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Bildungspolitische Stunde – „politische Bildung“

Bildungspolitische Stunde – „politische Bildung“

Aus der Ratsversammlung am 07.10.2020

Stadtrat Köhler (Freibeuter): “Sehr geehrter Oberbürgermeister! Werte Referentinnen und Referenten! Meine Damen und Herren Beigeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Liebe Zuschauer im Saal und am Live-Stream und natürlich auch die Pressevertreter! Zunächst einmal einleitend: Ich bin groß geworden mit zwei dogmatischen Richtungen, auf der einen Seite mit dem Katholizismus, der mich in meiner Kindheit geprägt hat, dann natürlich mit der DDR, die meine Jugend geprägt hat, und auf der anderen Seite mit einem humanistischen und freien Weltbild, das am Küchentisch gelehrt wurde.

Seit 31 Jahren – ich sage jetzt wirklich: 31 Jahre – haben wir die Möglichkeit, dieses humanistische Weltbild auch umzusetzen. Aber es hakt eben immer.

Entschuldigung, Herr Kriegel, entweder sind Sie etwas älter als ich oder ich bin älter, das kann sein. Ich stehe also hier als wahrscheinlich der Älteste heute Abend in diesem Forum, und von der Sache her und aus dem Wissen heraus, dass über alle Beteiligungsformen, Akteure usw., schon geredet wurde – das ist immer der Vorteil als letzter Redner -, will ich ein bisschen auf meine Meinung zur politischen Bildung eingehen.

Da fange ich einmal ganz anders an, nämlich nicht 1945 und nicht 1920, sondern ich sage mal so: Der Beginn des Zeitalters der Aufklärung liegt nun schon 300 Jahre in der Vergangenheit, doch ihre Themen sind meiner Meinung nach immer noch aktuell wie eh und je. Immanuel Kant, selbst einer der großen Aufklärer, definierte die Aufklärung hierbei wie folgt:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.

Was hat das mit der politischen Bildung zu tun? – Ich nehme jetzt mal die einfache Definition aus Wikipedia, aber die anderen Definitionen stimmen weitgehend damit überein: Das Ziel der politischen Bildung ist,

Zusammenhänge im politischen Geschehen zu erkennen, Toleranz und Kritikfähigkeit zu vermitteln und zu stärken, damit zur Herausbildung und Weiterentwicklung von aktiver Bürgerschaft, gesellschaftlicher Partizipation und politischer Beteiligung beizutragen.

Punkt, Ende, aus. Es ist das Ziel der politischen Bildung, Menschen zu befähigen, dem Kernprinzip der Aufklärung zu folgen, sich also selbst eine Meinung zu bilden.

Politische Bildung ist nicht zu verwechseln mit politischer Erziehung, welche schnell in Indoktrination umschlagen kann. Manche unter uns kennen das noch: Staatsbürgerkundeunterricht und Ähnliches. Man kann auch Religionsunterricht hinzuzählen. Hier wurde die Leitung des Verstandes, wie Kant es ausdrückt, durch die Aussagen von politischen, im Besonderen auch religiösen Führungen ersetzt. Das Ziel ist – egal, wie positiv es ausgedrückt wird oder mit welchen fortschrittlichen Ideen initiiert – eine Überlagerung der individuellen Meinung und stellt somit einen Herrschaftsanspruch dar.

Ich möchte hier explizit auf den Art. 21 des Grundgesetzes hinweisen:

Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.

Sie wirken mit. Das bedeutet im Sinne der politischen Bildung, dass keine Partei einen Anspruch auf eine direkte Einflussnahme auf dieselbe besitzt.

Beschränken wir also die politische Bildung auf die Vermittlung der Kenntnisse über das demokratische System unseres Landes und die Fähigkeit zur Nutzung der Instrumente der Demokratie durch die mündigen Bürgerinnen und Bürger, natürlich auch mit der Erkenntnis, dass Demokratie Beteiligung erfordert und Beteiligung Anstrengung erfordert. Wie können wir dann extremistische Meinungen verhindern? – Für mich steht hier das in meiner Kindheit und Jugend erlernte humanistische Menschenbild in seiner einfachen Form im Vordergrund. Ein Mensch ist ein Mensch – so, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 heißt:

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

So, wie es auch das Grundgesetz im Art. 3 – wenn auch im Kontext etwas anders – ausdrückt:

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Ich möchte das „vor dem Gesetz“ weglassen und sage einfach: Alle Menschen sind gleich.

Auch religiöse Definitionen kann man gelten lassen, wie zum Beispiel das „Liebe deinen Nächsten so wie dich selbst“ aus dem Neuen Testament. Ich weiß, Herr Jung als studierter Religionslehrer verzieht hinter mir jetzt das Gesicht, wenn ich über Religion rede, aber das ist nicht so schlimm.

Der Begriff „Nächster“ ist hier zwar nicht definiert, er schließt aber auch niemanden explizit aus. Problematisch an diesem Satz ist für mich, dass man sich selbst – allerdings nicht im narzisstischen Sinne – lieben muss, um andere Menschen zu lieben. Das ist leider nicht selbstverständlich im Zeitalter der allgemeinen Unzufriedenheit. Ich erinnere hier an das bekannte Internet-Meme, in dem Jesus predigt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“, und einer der Zuhörer fragt: „Und wenn er schwarz ist oder schwul?“ Und Jesus sagt: „Hast du etwas an den Ohren?“

Auch die Achtung der Natur ergo der Umwelt sowie der anderen Lebewesen lässt sich ohne Indoktrination vermitteln. Allein die Vermittlung der Lebensnotwendigkeit einer intakten Umwelt für die Menschen sollte dort für den Anfang ausreichend sein. Wenn – hier komme ich wieder auf den religiösen Aspekt zurück – jemand lieber von der Bewahrung der Schöpfung spricht, dann ist das auch akzeptabel, solange jede Schöpfung gemeint ist. Märchenhaft ausgedrückt: Rotkäppchen, die Großmutter, der Jäger, der Wald, der Wolf und auch die frische Luft.

Warum dieser Exkurs in die Bildungsphilosophie? – Friedrich Nietzsche ließ seinen tollen Menschen durch die Straße laufen und rufen: „Gott ist tot!“. Ich möchte hier nicht postulieren müssen: Die Aufklärung ist tot.

Wir erleben heute wieder die Versuche der Indoktrination, egal, von welcher politischen Seite. Das ist gefährlich, weil es die Freiheit des Denkens einschränkt und letztlich das Denken behindert. Der indoktrinierte Mensch folgt den Lehren. Er hinterfragt nicht, er lässt keine Meinung außer der angeblich eigenen, die nicht wirklich seine ist, zu und verteidigt diese mit allen Mitteln. Der indoktrinierte Mensch ist kein freier Mensch. Er unterliegt der Herrschaft des Meinungsführers. Passend dazu ein Zitat aus „Der Eunuch“ von Johannes Tralow; den kennt wahrscheinlich niemand. Er lässt seine Protagonistin Julienne sagen:

Sie sagten, die Sklaverei sei die tiefste Erniedrigung und vollständigste Ausbeutung, zu der Menschen jemals gezwungen wurden oder zu der sie sich hergaben. Für mich ist der letzte Zusatz „oder sich hergaben“ das Schrecklichste. Der Verzicht auf die Nutzung des eigenen Verstandes im Sinne der Aufklärung ist für mich das Sich-Hergeben in geistige Sklaverei. Demokratie braucht aber den im Sinne der Aufklärung freien Menschen, der ohne die Leitung eines anderen seinen Verstand benutzen kann. Die Aufklärung braucht keinen Aufklärer, der Menschen erklärt, wie sie zu denken haben. Dieser wäre eine Absurdität.

Danke.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Leipzig auf dem Weg zur „Wasserstoffstadt“

Leipzig auf dem Weg zur „Wasserstoffstadt“ (VII-A-01499) Einreicher: Fraktion DIE LINKE

Aus der Ratsversammlung am 07.10.2020

Stadtrat Köhler (Freibeuter): “Sehr geehrter Oberbürgermeister! Werte Beigeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte! „Leipzig auf dem Weg zur Wasserstoffstadt” – der Ingenieur in mir freut sich. Allerdings erinnert er sich daran, dass er vor fünf Jahren noch verlacht wurde, wenn er über Wasserstoff, Brennstoffzellen oder Ähnliches gesprochen hat.

Erst einmal prinzipiell: Die Zukunft ist der grüne Wasserstoff. Wasserstofferzeugung hat nämlich einen Nachteil: Wenn Sie Kohle verbrennen, um Wasserstoff zu erzeugen, dann können Sie die Kohle auch gleich so verbrennen, dann hat sie nämlich für Wärme oder Strom einen höheren Wirkungsgrad, als wenn Sie Wasserstoff damit erzeugen. Dasselbe gilt für alle anderen fossilen Energieträger. Der Wirkungsgrad ist natürlich für die Erneuerbaren Energien, mit der wir ihn erzeugen, genauso schlecht, aber dort haben wir im Moment ungenutzte Potenziale, die wir dafür verwenden können. Und somit macht der Wasserstoff auch Sinn. Sinn macht also nur der grüne Wasserstoff.

Was mich jetzt ein bisschen stört, ist diese Formulierung bei den Kollegen von den Grünen: „klimaneutrale Wasserstoffstadt”. Das klingt so, als wenn allein der Wasserstoff die ganzen Probleme löst. Ich möchte so ein bisschen den Advocatus Diaboli spielen und einmal sagen: Wir dürfen über dem ganzen Wasserstoff nicht vergessen, dass wir den Umstieg von der Straße auf die Schiene brauchen, vom Auto auf den ÖPNV; wir haben ganz viele andere Themen, mit denen wir uns noch beschäftigen müssen.

Das zweite ist im Ursprungsantrag der LINKEN. Eigentlich hätte es Frau Dr. Naumov besser wissen müssen. Dort steht, dass grüner Wasserstoff als Energiespeicher in das vorhandene Gasnetz eingespeichert werden kann. Das ist nicht ganz richtig. Der größte Teil des vorhandenen Gasnetzes ist für Wasserstoff nicht geeignet. Der tritt nämlich einfach aus. Deshalb sind also ziemliche Investitionen erforderlich.

Ich sage aber einmal so: Packen wir es an. Dem grünen Wasserstoff gehört die Zukunft, und da wollen wir vorne dabei sein. – Danke.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Alternative Standorte zum Wilhelm-Leuschner-Platz

Alternative Standorte zum Wilhelm-Leuschner-Platz (VII-A-01379-NF-02) Einreicher: Fraktion Freibeuter

Aus der Ratsversammlung am 07.10.2020

Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die große Debatte zum Bebauungsplan Leuschner-Platz haben wir heute ja nicht mehr auf der Tagesordnung, aber dennoch gibt es eine ganze Reihe von Fragen in diesem Zusammenhang zu diskutieren und zu entscheiden.

Wir machen uns ja gemeinsam mit der Verwaltung schon länger darüber Gedanken, wo denn die Kommunalverwaltung, die Verwaltung der Stadt Leipzig in Zukunft untergebracht werden soll. Es gibt hier umfangreiche Prüfungen, verwaltungsinterner Art, und wir wissen, dass auch der Leuschner-Platz zu einer der Varianten gehört, wo man sich verwaltungsseitig einen Großteil der städtischen Verwaltung vorstellen kann. Wir als Freibeuter können uns dies nicht vorstellen, deswegen gibt es diesen Antrag. Ich möchte das auch gern begründen.

Unsere innerstädtischen Plätze und Flächen leben im wahrsten Sinne des Wortes davon, dass sie belebt sind; und zwar nicht nur tagsüber, sondern auch am Wochenende und am Abend. Die Eigenschaft von Verwaltung ist nun einmal gerade, dass man tagsüber, in der Woche, arbeitet, abends und am Wochenende hingegen nicht. Wenn wir uns den Leuschner-Platz anschauen und uns andere Nutzungen vor Augen halten, die momentan in der Diskussion sind, dann ist es dort ähnlich. Auch ein Institut für Völkerkunde ist wahrscheinlich am Abend und am Wochenende geschlossen. Gleiches gilt vermutlich auch für den „Global Hub“.

Wenn wir uns die Ideen im Norden des Leuschner-Platzes anschauen, für ein Forum Recht oder eine Juristische Fakultät, dann sind vielleicht am Abend oder auch am Samstag noch ein paar Studenten in der Bibliothek, aber ansonsten ist auch in diesem Bereich am Abend und am Wochenende nichts mehr los.

Wir wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, keinen toten Platz in Leipzig haben, und deswegen sind wir der Auffassung, dass es andere Nutzungen auf diesem Platz geben muss.

Die ideale Nutzung, um ein Leben auf einen Platz zu bringen, ist tatsächlich Wohnen. Denn Menschen wohnen dort auch am Wochenende, und sie wohnen auch am Abend. Wir haben Betrieb,

wir haben Einkaufsverhalten, Menschen kommen und gehen. Wohnen schafft einen belebten Platz. Und deswegen sind wir der Auffassung – und bitten ganz herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag -, zu sagen: Wir wollen im Zweifel keine Verwaltung auf dem Leuschner-Platz haben, sondern wir wollen die Flächen, die uns zur Verfügung stehen – im südlichen Baufeld, im nördlichen Baufeld, aber insbesondere auch im mittleren Baufeld -, eben für andere Dinge nutzen; insbesondere auch für Wohnen. So viel sei zu unserem ersten Beschlusspunkt gesagt.

Zu den weiteren Beschlusspunkten: Wenn man weiß, dass wir momentan gerade dabei sind, auch verwaltungsintern, das Thema Verwaltungsunterbringung auf verschiedene Standortkombinationen zu fokussieren, und wir politisch heute entscheiden, eine oder mehrere dieser Kombinationen – alle, die mit Leuschner-Platz verbunden sind – fallen heraus, dann macht es aus unserer Sicht Sinn, in diesem Prozess den Blick noch einmal zu weiten, den Blick zu öffnen und weitere Standortkombinationen mit einzubeziehen. Wenn wir immer nur welche herausstreichen, die uns politisch nicht passen, dann haben wir unter Umständen zum Schluss eine Situation, dass nur noch eine übrig ist, und wir als Stadtrat gar keine Alternativen mehr haben, die man entsprechend entscheiden kann.

Der zweite Beschlusspunkt beinhaltet deswegen: Lasst uns in diesem noch relativ frühen Stadium noch ein paar mehr Kombinationen in die Prüfung einbeziehen, damit wir zum Schluss tatsächlich noch eine Auswahl haben.

Wir wissen, dass der Mietvertrag am technischen Rathaus in der Prager Straße irgendwann endet. Wünschenswert ist es natürlich, bis zu diesem Ende eine entsprechende Lösung zu haben, eine Alternative, weil das möglicherweise auch die Verhandlungsposition mit dem jetzigen Vermieter verbessern könnte.

Klar ist: Wenn man neue Alternativen bauen muss, dann kann es natürlich passieren, dass diese für den entsprechenden Zeitpunkt nicht fertig sind. Verwaltungsunterbringung, sehr geehrte Damen und Herren, ist aber nicht etwas, was man einmal für zehn Jahre entscheidet, sondern Verwaltungsgebäude – schauen Sie sich dieses Rathaus an, auch wenn wir den Sitzungssaal jetzt renoviert haben – sind eher so etwas wie Ewigkeitsentscheidungen. Die haben 50 bis 100 Jahre oder noch länger Bestand.

Wir sind der Auffassung, angesichts der Dimension einer solchen Entscheidung – 50 oder 100 Jahre -, wäre es durchaus angemessen, für einen bestimmten Zeitraum den Mietvertrag an der Prager Straße zu verlängern, wenn wir dann eine andere, unter Umständen selbst gebaute Immobilie in der Stadt Leipzig zur Verfügung haben.

Das zum Beschlusspunkt 3: Sie sehen, die drei Punkte passen zusammen. Ich bitte sie namens meiner Fraktion um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Arndt bleibt Leipziger – Keine Umbenennung der Arndtstraße

Arndt bleibt Leipziger – Keine Umbenennung der Arndtstraße (VII-P00918-DS-02) Einreicher: Petitionsausschuss

Aus der Ratsversammlung am 16.09.2020

Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorschlag der Grünen beinhaltet, dass wir das Thema Umbenennung der Arndtstraße – ja oder nein – nicht heute im Rahmen einer Petition klären, sondern dass wir diese Frage in eine Kommission verweisen, die wir bereits gebildet haben. Das ist, unabhängig von dem Wording, das Ziel des Änderungsantrags der Grünen: Keine Entscheidung heute, Diskussion in der Kommission, dann gibt es ein Ergebnis, und dann entscheiden wir im Stadtrat. Das halte ich auch für sinnvoll, weil wenn man eine Kommission gebildet hat, dann sollte man sie auch dafür nutzen.

Wir könnten aber den Schwebezustand, der ja auch mit dem Antrag der Grünen entsteht, dadurch beenden, dass wir unseren Beschluss zum Thema Arndtstraße einfach aufheben. Dann hätten wir den Schwebezustand beendet, die Kommission würde arbeiten, die Kommission würde uns ein Ergebnis vorlegen; und wenn das Ergebnis vorgelegt wird – egal, wie es aussieht; ich weiß es nicht -, dann kommt es mit den Begründungen, mit den Abwägungen wieder in den Stadtrat. Und dann entscheiden wir neu.

Damit wäre dem Anliegen des Antragstellers Bündnis 90/Die Grünen Rechnung getragen, nämlich, das in der Kommission entscheiden zu lassen. Auch die Bedenken der Verwaltung würden aber aufgegriffen, einen Schwebezustand, der rechtlich vielleicht problematisch ist – was ich jetzt nicht abschließend bewerten kann – zu vermeiden.

Ich stelle daher den Änderungsantrag zum Antrag der Grünen, den Beschlusspunkt 3 wie folgt zu formulieren:

Der Beschluss des Stadtrats […] wird aufgehoben.

Das würde das Problem heute entschärfen, und wir haben das erreicht, was wir eigentlich wollen, nämlich eine fachlich fundierte Diskussion, und dann ein Ergebnis auf Basis einer fachlichen, fundierten Diskussion und Ausarbeitung. – Vielen Dank.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Rauchverbot Spielplätze

Rauchverbot Spielplätze (VII-A-00637) Einreicher: Jugendparlament/Jugendbeirat

Aus der Ratsversammlung am 16.09.2020

Stadtrat Köhler (Freibeuter):Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Ich muss einmal so sagen: Ich bin Raucher. Ich schließe mich gleich der ganzen Sache an, aber ich fühle mich nicht stigmatisiert.
Ich vertrete natürlich das Nichtrauchen auf Spielplätzen. Im Eingangsbereich – wie hier in unserem Rathaus zum Beispiel – fehlt mir ein Schild, was nach rechts oder links zeigt. Dort steht ein großer Aschenbecher. Die zwei kleinen Aschenbecher sind eigentlich nur für die, die mit einer Kippe kommen, um sie dort hineinzuwerfen; nicht, um dort vorne zu stehen und zu rauchen. Ich weise auch manchmal Leute darauf hin. Das steht mir zwar nicht zu, aber das macht nichts.
Zum Rauchen in Fahrgastunterständen der LVB: Kein Ding, wenn ich unbedingt rauchen will und es regnet, dann stelle ich mich in den Regen. Bei diesem generellen Rauchverbot an Haltestellen sehe ich etwas kritisch, ob sich das durchsetzen lässt, zumal an unseren Haltestellen. Am Hauptbahnhof kann ich mir das vorstellen, im Bereich zwischen diesen zwei Überdachungen. Natürlich gehört dann dazu, dass die Aschenbecher aus den anderen Bereichen verschwinden. Wo kein Aschenbecher ist und 50 Euro verlangt werden, wenn man eine Kippe wegschnippt, da darf eben nicht geraucht werden.
Bei den anderen Sachen – was diese Rauchverbotszonen im öffentlichen Raum betrifft – bin ich mir über die rechtlichen Lagen nicht ganz klar, deshalb werde ich mich bei dem Grünen-Antrag für diese Punkte enthalten. Ansonsten generell ein Ja von mir. Es ist kein Stigma.”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Bericht des Oberbürgermeisters – Gewalt gegen die Polizei

Bericht des Oberbürgermeisters – Gewalt gegen die Polizei

Aus der Ratsversammlung am 16.09.2020

Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Auch ich möchte mich für die klaren Worte bedanken, die Sie gefunden haben. Ich möchte allerdings noch einige Punkte darüber hinaus schärfen.
Der vermeintlich gute Zweck heiligt nie die Mittel. Er kann das schon deswegen nicht tun, weil wir ja definieren müssten, was denn der gute Zweck ist und die Frage natürlich aufkommt, wer bestimmt, wer entscheidet, was der gute Zweck ist. Wir sind hier ein demokratisch gewähltes Parlament mit unterschiedlichen politischen Auffassungen. Wenn wir jeden von uns fragen würden, was wir für einen guten Zweck halten, kämen wahrscheinlich verschiedene Antworten heraus. Wenn der vermeintlich gute Zweck die Mittel heiligen würde, dann müssten wir alle akzeptieren, dass alle von uns als gut angesehenen Zwecke zu Gewalt legitimieren würden; egal, von welcher Couleur sie als vermeintlich gut angesehen werden.

Ist das wirklich so? – Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann so nicht sein. Man kann ja darüber diskutieren, ob Häuser leer stehen dürfen oder nicht. Aber ob sie das dürfen, das regeln bei uns Gesetze, und über die Auslegung der Gesetze entscheiden Gerichte und nicht Hausbesetzer. Das ist Rechtsstaat.

Wenn man aus dem politischen Raum Verständnis für eine bestimmte Gewalt in einem bestimmten Sachzusammenhang äußert, dann muss man konsequenterweise auch akzeptieren, dass andere politische Parteien zu anderer Gewalt in anderen Zusammenhängen, bei Zwecken, die ihnen vielleicht politisch näher stehen, auch Verständnis äußern. Das heißt, diejenigen, die dies tun, sollten sich gut überlegen, ob es nicht auch andere hier gutgeheißene Dinge gäbe, wo sie es auf jeden Fall missliebig finden und ablehnen würden, dass man dies mit Gewalt verbindet.

Die Gewalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, fängt ja mit so einfachen Dingen wie Sachbeschädigung an. Da höre ich dann oft: Das ist nicht so schlimm. Aber es fängt eben mit Sachbeschädigung an. Dann kommt irgendwann einmal Körperverletzung. Wenn Leute richtig durchgeknallt sind, dann bringen sie auch noch Menschen um.

Es ist ein Unterschied, gegenüber wem die Gewalt ausgeübt wird. Die Wirtshausschlägerei ist etwas anderes als Gewalt gegen die Polizei. Die Gewalt gegen die Polizei, liebe Kolleginnen und Kollegen, richtet sich gegen uns alle. Hier geht es nicht um Wohnungsnot in Leipzig. Hier geht es nicht um hohe Mieten. Nicht den Gewalttätern geht es darum, vielen anderen schon. Wer aber diese Gewalt gegenüber Polizeibeamten ausübt, stellt sich gegen unseren Staat. Deswegen richtet sich diese Gewalt gegen uns alle.

Diese Gewalttäter stellen die Systemfrage; die Frage, in welchem Staat wir leben wollen. In einem Staat, wo Recht und Gesetz gelten – wo man sich, wenn man unterschiedlicher Auffassung ist, im Zweifel vor Gerichten widersetzt – oder ein Staat, wo das Faustrecht regiert. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir uns sehr, sehr klar vor Augen halten, wenn wir uns zu diesen Dingen als politisch Verantwortliche in dieser Stadt öffentlich äußern. – Vielen Dank”

(Es gilt das gesprochene Wort)

Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen

Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen (VIIA-00898) Einreicher: Fraktion Freibeuter

Aus der Ratsversammlung am 16.09.2020

Stadtrat Köhler (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren Beigeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Liebe Zuschauer in der Halle und am Livestream! Geschätzte Pressevertreter! Der Antrag „Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen“ wurde von uns mehrfach zurückgestellt, da eine tiefgehende externe Analyse zum Antrag vom letzten Jahr zugesagt wurde. Da dies aber bis heute nicht geschehen ist, steht der Antrag nun mit dreimonatiger Verzögerung auf der Tagesordnung.

Bevor ich beginne, einige Anmerkungen: Es gibt in Leipzig mehrere Urban Legends, oder zu Deutsch: moderne Mythen. Davon möchte ich drei benennen, aber im Rahmen dieses Antrags nur auf zwei eingehen. Der erste Mythos ist: Mit dem Kauf eines Autos erwirbt der Käufer ein Stück im Verkehrsraum, das die Größe seines Autos plus des erforderlichen Platzes zum Ein- und Ausparken hat, und diese Fläche begleitet ihn und sein Auto überall hin.

Der zweite Mythos ist: Mit dem Kauf eines Fahrrades erwirbt der Käufer profunde Kenntnisse der StVO und zusätzlich ein paar Sonderrechte im Straßenverkehr.

Der dritte Mythos ist: Die alleinige Zuständigkeit des OBM für Verwaltungshandeln – hier für den Umgang mit verkehrsgefährdend geparkten Fahrzeugen – entzieht sich der Zuständigkeit des Stadtrates, auch wenn durch das Handeln oder Nichthandeln ein rechtswidriger Zustand befördert wird.

Ich möchte mich hier mit der ersten und dritten Legende befassen. Die zweite lasse ich für heute einmal außen vor. Für den Antrag ist für mich der § 12 StVO, Halten und Parken. Ich zitiere aus Absatz 2:

“Wer sein Fahrzeug verlässt oder länger als drei Minuten hält, der parkt.”

Im Absatz 3 kommt dann das Parkverbot. Im Verwaltungsstandpunkt wird nun ausgeführt, dass es keine Regelentscheidung geben darf. Das veranlasst mich zu folgender Betrachtung: Es gibt in Leipzig nach Meinung der Verwaltung, die ja immer mit einer Stimme spricht, zwei Arten von Falschparkern. Das sind die guten, die auf Radverkehrsanlagen, in Kreuzungsbereichen oder an ähnlichen Stellen verkehrsbehindernd – besser gesagt: verkehrsgefährdend – parken. Für diese gilt die Einzelfallentscheidung. Zitat:

“Jede Anordnung einer Abschleppmaßnahme ist eine Einzelfallentscheidung, die angemessen und verhältnismäßig sein muss. Einzelfallentscheidung heißt, dass der konkrete Fall betrachtet werden und eine Abwägung stattfinden muss. Deshalb kann dazu auch keine „Regelentscheidung“ oder Festlegung, dass das Abschleppen der Fahrzeuge die angemessene Maßnahme darstellt, getroffen werden.”

Dann gibt es die bösen Falschparker. Für die kann eine Regelentscheidung getroffen werden. Das sind die, die die Parkdauer auf Kurzzeitparkplätzen um drei Stunden überschreiten. Die kann man nämlich regelrecht abschleppen. Mag sein, dass es da einen anderen Rechtstatbestand gibt, aber mir erschließt sich das nicht ganz.

Kommen wir aber auf den Verwaltungsstandpunkt und den Bezug zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg von 2011 zurück. Mag sein, dass es im Einzelfall für die Mitarbeiter des Ordnungsamtes ersichtlich ist, dass der Fahrzeugführer in Kürze das Fahrzeug entfernen wird. Aus dem Urteil ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls sicher, dass, wenn der Fahrer eines verkehrsordnungswidrig abgestellten Fahrzeugs in Kürze die Störung/Behinderung selbst beseitigen wird, eine Abschleppanordnung in der Regel nicht verhältnismäßig ist. Das Oberverwaltungsgericht spricht hier von „verkehrsordnungswidrig“, also ist nicht klar, ob es um verkehrsgefährdend abgestellte Fahrzeuge geht.

Woran macht man nun den ebenso unbestimmten Begriff „in Kürze“ fest? Ich erinnere an § 12 Abs. 2 StVO und die drei Minuten. In der StVO ist keine Rede von einer Zeit, die „in Kürze“ heißt. Wie und wann ist man sich sicher? Vielleicht, wenn man den Fahrer beim Friseur erwischt?

Ich möchte hier ein Urteil anführen, das eine Regelentscheidung befürwortet. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Beschluss vom 06.03.2015 festgestellt, dass das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Pkw in einer Fußgängerzone regelmäßig mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist und das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung nicht erforderlich ist. Hier ist eindeutig die Regelentscheidung schon für „verkehrswidrig“ möglich.

Kommen wir aber auf das „in Kürze“ zurück. Ich nehme hier Verstöße gegen § 12 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 5, also Parken im Kreuzungsbereich beziehungsweise an Bordsteinabsenkung, wobei letztere leider auch im Kreuzungsbereich im Leipzig oft nicht ein Zeichen von Barrierefreiheit, sondern vom schlechten Zustand der Gehwege und Bordsteine sind.

Die Verkehrsgefährdung besteht hier für Fußgänger – besonders Kinder und Menschen mit Behinderungen, nicht zu vergessen Mütter mit Kinderwagen – darin, dass ihre Sicht auf den Kreuzungsbereich eingeschränkt wird und sie sich zwischen den geparkten Fahrzeugen zur Fahrbahn vortasten müssen, natürlich auch für den Automobilverkehr und die Radfahrer, die dazu gezwungen werden, blind in den Kreuzungsbereich einzufahren. Eben dies soll ja durch diese Vorschrift geregelt werden.

Wird der Fahrzeugführer „in Kürze“ sein Fahrzeug entfernen? Hier gibt es eine einfache Möglichkeit, das zu prüfen. Ist der Motor des Kfz zum Beispiel kalt, dann hatte der Fahrzeugführer nicht einmal die Absicht, es in Kürze zu entfernen.

Ich möchte hier noch auf § 12 Abs. 3 StVO eingehen:

“Das Parken ist unzulässig, wenn es die Benutzung gekennzeichneter Parkflächen behindert.”

Im Zusammenhang mit dem Rückbau der Parkbuchten im Waldstraßenviertel – weil ständig Fahrzeuge auf der Fahrbahn daneben parkten und diese nicht mehr genutzt werden konnte – habe ich das schon einmal so formuliert: Ordnungspolitisch hat die Stadt Leipzig bereits kapituliert.
Das ist auch zu bemerken, wenn – allerdings schon 2018 – als Argument für den teuren Bau von Gehwegnasen die Formulierung verwendet wird: „Die ausgebauten Gehwege sollen als Hilfe beim Überqueren der Straße dienen und den Fußgängern das Umgehen von parkenden Autos erleichtern“.
Im Kreuzungsbereich – dort werden schließlich diese Gehwegnasen gebaut – darf kein Fahrzeug parken. Das ist aber kein Widerspruch gegen Gehwegnasen. Die haben noch ein paar andere Funktionen.
Für uns ist die Unwilligkeit beziehungsweise Untätigkeit des OBM und der Verwaltung nicht durch gesetzliche Regelungen oder Einschränkungen eindeutig begründet. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es uns nicht um die sture Durchsetzung einer gesetzlichen Regelung, sondern um unser aller Verkehrssicherheit geht.”

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: “Herr Köhler, achten Sie bitte auf die Zeit.”

Stadtrat Köhler (Freibeuter): “Ich bin sofort fertig. In dem Zusammenhang freue ich mich natürlich besonders auf die Stimmen der CDU Stadträtinnen und -Stadträte, die natürlich unserem Antrag zustimmen werden. Denn wer zur Durchsetzung von Recht und Gesetz ein besetztes Haus sofort durch die Polizei räumen lassen will, der kann ja nicht anders als zuzustimmen, wenn es um regelmäßigen und gewohnheitsmäßigen Rechtsbruch geht.


Ein Hinweis zum Antrag noch: Wir haben den letzten Satz nicht geändert. Er hat für Irritation gesorgt, obwohl in der Begründung eigentlich eindeutig zu sehen ist, dass es um eine Illustration der Tätigkeiten anderer Städte und Gemeinden geht. Ich bitte um Zustimmung zum Antrag. – Danke.”

 

Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrter Herr Rosenthal! Wir sind tatsächlich nicht einen Schritt weiter. Wir haben das Thema anlässlich des Antrages der LINKEN ausführlich diskutiert. Das Ergebnis war, dass ein Abschleppen in der Regel nur dann infrage kommt, wenn das Fahrzeug verkehrsgefährdend geparkt ist. Das ist ja genau die Frage, wie wir die Gefährdungssituation einschätzen.

Ich sage Ihnen – und das war die Diskussion vor zwei Jahren gewesen -: Ein Fahrzeug, das auf einem Radweg parkt, parkt in aller Regel verkehrsgefährdend, weil das Ausweichmanöver des Radfahrers auf die Straße, vom Radweg herunter, zu einer Gefahr führt. Ein Fahrzeug, das auf einer zweispurigen Straße auf dem rechten Fahrstreifen parkt und dort steht, wird in aller Regel abgeschleppt, weil es verkehrsgefährdend parkt.

Hier denke ich einmal als Beispiel an die Prager Straße, stadteinwärts auf dem rechten Streifen parkt ein Fahrzeug. Wie lange steht dieses Fahrzeug dort, bis es abgeschleppt wird? Nun parkt dasselbe Fahrzeug nicht auf der Straße, sondern zwei Meter weiter rechts auf dem Radweg, und kein Schwein kümmert sich darum.

Das ist das Problem, das wir hier haben. Wenn da nicht ein Umdenken einsetzt, dass dieses Fahrzeug genauso Gefahren auslöst – vielleicht nicht für einen Autofahrer, aber für einen Radfahrer -, wenn dieses Umdenken der Verwaltung nicht einsetzt, kommen wir hier keinen Schritt weiter. Wir haben lange diskutiert, wir haben viel versucht, aber es hat nicht geholfen. Deswegen bitte ich, dem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen.”

(Es gilt das gesprochene Wort)