Einrichtung eines Sonderbudgets im Dezernat Allgemeine Verwaltung zur Bewältigung von Aufgaben infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine gem. § 79 Abs. 1 SächsGemO – eilbedürftig (VII-DS-06916)
Einreicher: Dezernat Allgemeine Verwaltung
Aus der Ratsversammlung am 15.03.2022
Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ich nehme es vorweg: Auch wir, die Freibeuter, werden der Vorlage zustimmen. Wir sind uns bewusst, dass das nicht die letzte Entscheidung und nicht die letzte Vorlage zum Thema „Folgen des Angriffskrieges auf die Ukraine“ sein wird. Wir werden als Stadt Leipzig in den nächsten Monaten sicherlich noch deutlich mehr an Hilfe leisten und auch hier im Stadtrat beschließen müssen.
Ich möchte mich ebenfalls dem Dank an die Verwaltung anschließen, die Vorlage und auch die Hilfsmaßnahmen schnell auf den Weg gebracht zu haben. Auch wenn es natürlich immer noch besser sein kann – gar keine Frage -, aber in der Schnelle der Zeit muss man eben auch einmal mit Provisorien oder mit Schwierigkeiten leben. Ich hoffe, dass diese kurzfristig auch abgestellt werden können.
Wenn man sich die Bilder anschaut, die wir im Fernsehen sehen können, aus Russland, aus dem Kreml, dann sprechen die Bilder eine sehr deutliche Sprache. Hier führt kein Land Krieg, hier führt ein Herrscher Krieg. Es ist Putins Krieg, und es ist nicht der Krieg Russlands. Wir müssen das hier in der Öffentlichkeit immer deutlich vertreten und auch deutlich machen, weil wir nämlich aus der Bevölkerung Signale bekommen, die in eine andere Richtung deuten. Wir als Fraktion, zum Beispiel, bekommen Forderungen nach einer Schließung des russischen Generalkonsulats. Das ist auch aus meiner eigenen Partei an mich herangetragen worden.
Unabhängig davon, dass wir das gar nicht beschließen können, hier in Leipzig, ist das nämlich auch vollkommen der falsche Weg, weil das Generalkonsulat ja den russischen Bürgerinnen und Bürgern in Leipzig hilft. Das hat ja nichts mit Putin zu tun, ob das offen oder zu ist, ist Herrn Putin wahrscheinlich ziemlich egal. Auch hier müssen wir deutlich machen, wenn solche Forderungen an uns herangetragen werden, dass das eben nicht das Ziel ist, wir müssen erklären, wie wir uns verhalten und warum wir uns so verhalten.
In meiner beruflichen Tätigkeit hatte ich in meinem Reisepass immer ein Jahresvisum der Ukraine kleben und auch eines von Russland, weil ich alle zwei, drei Monate dort beruflich tätig war. Wenn man die Plätze kennt, die wir jetzt im Fernsehen sehen, wo Zerstörung herrscht, dann ist es kaum zu ertragen: hier in Mitteleuropa, nicht weit von uns entfernt. Man fühlt sich hilflos, insbesondere hier, auf der kommunalen Ebene, weil wir ja kaum Möglichkeiten haben, jenseits der Hilfe der hier ankommenden Menschen etwas zu tun in diese Richtung, aber wir sind ja alle nicht nur Bürger der Stadt Leipzig oder Stadträtinnen und Stadträte, sondern auch Bürger der Bundesrepublik Deutschland.
Und wenn wir – wie Sie, Frau Krefft, zu Recht gesagt haben – zur Ukraine stehen, dann müssen wir uns natürlich auch fragen – jeder selbst, und auch wir, als Bundesrepublik Deutschland -, was wir bereit sind, dafür zu geben. Herr Tornau hat vollkommen recht: Die Menschen in der Ukraine kämpfen auch unseren Kampf. Welchen Beitrag sind wir bereit, für diesen Kampf zu leisten? Was ist uns die Freiheit wert? Was ist uns die Freiheit in der Ukraine wert? Was ist uns die Freiheit in der Bundesrepublik Deutschland wert? Denn niemand weiß, ob Putin an der Ostgrenze der NATO haltmacht.
Wenn Herr Jung noch hier wäre, hätte ich ihn daran erinnert, dass wir beide aus den 70er-Jahren autofreie Sonntage kennen. Im Rahmen des Nahostkrieges und des Öl-Embargos der OPEC hatten wir autofreie Sonntage. Privatfahrten mit dem
Auto waren verboten, um Öl zu sparen. Das hatten wir in der Bundesrepublik Deutschland, im Westen, alles schon einmal erlebt. Wenn man sich jetzt die Diskussion anschaut über Maßnahmen, die wir in Deutschland bereit sind, zu ergreifen – oder vielmehr die Diskussion über Maßnahmen, die wir nicht bereit sind, zu ergreifen -, da ergeben sich für mich ganz persönlich schon einige Fragen.
Was ist denn, wenn Putin in Kiew einmarschiert oder die Stadt dem Erdboden gleich macht? Wenn er die demokratisch gewählte Regierung gefangen nimmt oder gar ermordet? Wie lange wollen wir dann noch jeden Tag Millionen von
Euro nach Russland überweisen, um Gasrechnungen oder Energierechnungen zu bezahlen? Was ist denn, wenn es irgendwann zu Auseinandersetzungen an der NATO-Ostgrenze kommt? Wollen wir dann immer noch das Gas beziehen
und das Gas bezahlen? Wollen wir im Zweifel mit deutschen Soldaten die NATO-Ostgrenze Polens oder im Baltikum verteidigen oder nicht? Ist uns vielleicht der Frieden dann wichtiger als die Freiheit?
Das sind sehr grundsätzliche Fragestellungen, und darauf müssen wir eine Antwort finden. Ich persönlich bin der Auffassung, das Stoppschild lieber früher zu zeigen als zu spät. Wenn wir vor der Frage stehen, möglicherweise deutsche Soldaten in Polen das NATO-Gebiet verteidigen zu lassen, mit den entsprechenden Folgen – Tote und Verletzte -, dann sind mir persönlich kalte
Wohnungen und hohe Energiepreise lieber als tote deutsche Soldaten. – Vielen Dank.”
Es gilt das gesprochene Wort