Kommunaler Wärmeplan für eine klimaneutrale Wärmeversorgung in Leipzig

Kommunaler Wärmeplan für eine klimaneutrale Wärmeversorgung in
Leipzig (VII-A-02889)
Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Aus der Ratsversammlung am 09.02.2022

Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen: Auch wir sind für die Aufstellung eines kommunalen Wärmeplans. Aber wir sind dafür, dass wir uns bei der Aufstellung eines solchen kommunalen Wärmeplanes realistische Ziele vornehmen. Wir haben große Zweifel, ob das, was vom Oberbürgermeister als Ziel formuliert wurde, bis 2038 umsetzbar ist. Und, Herr Oberbürgermeister, Sie sollten gegenüber unserer Bevölkerung nicht Ziele formulieren, in Verwaltungsstandpunkten, die von vornherein unrealistisch sind. Ich werde darauf noch eingehen.

Wenn wir die Fernwärmeversorgung klimaneutral gestalten wollen, ist das sicherlich ein erheblicher Investitionsakt, der zu leisten ist. Das ist auch zu leisten. Wenn wir aber in den Gebieten der Stadt die Klimaneutralität erreichen wollen, die noch nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen sind – es wurde ja gerade darauf hingewiesen, dass das erhebliche Gebiete in der Kernstadt sind, fast die Hälfte, und außerhalb sind es über drei Viertel, die noch nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen sind -, dann bedarf dies erheblicher Investitionen in neue Netze, also neue Leitungen, die in der Stadt Leipzig verlegt werden müssen.

Der einzige Weg, diese Investitionen und auch den Zeitaufwand zu vermeiden, ist, ein bestehendes Netz für einen anderen Energieträger zu nutzen. Deswegen haben wir in unserem Änderungsantrag auch beantragt, zu prüfen, ob man nicht das bestehende Gasnetz zumindest teilweise oder ganz für Wasserstoffversorgung verwenden könnte, weil man sich dann nämlich die Neuverlegung eines Verteilnetzes sparen würde.

Wir beantragen dies nicht als Beschlusspunkt, der umgesetzt werden muss, sondern der als Option im Rahmen des kommunalen Wärmeplans mitzuprüfen ist. Selbst wenn dies möglich wäre, wäre eine abschnittsweise Umstellung immer noch mit erheblichen Investitionen, insbesondere der Eigentümerinnen und Eigentümer, verbunden, die aus unserer Sicht schwerlich bis 2038 zu leisten sind; ganz abgesehen davon, dass die Eigentümer der Häuser in Gebieten mit Erhaltungssatzungen rechtlich dazu gar nicht in der Lage waren, denn in Gebieten mit Erhaltungssatzungen dürfen solche Investitionen momentan nicht vorgenommen werden. Auch das müsste rechtlich geklärt sein.

Für den Fall, dass wir ein komplett neues Netz benötigen: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Der Plan ist, ein Netz in 50 Prozent der Kernstadt und 75 Prozent des Randgebietes zu bauen. Gehen wir einmal davon aus, Beschlussfassung in 2023, Planung drei Jahre, 2025, wenn es schnell geht, 2027/28, Bauzeit bis 2038. Herr Oberbürgermeister, wollen Sie allen Ernstes den Bürgerrinnen und Bürgern unsere Stadt erklären, dass Sie über zehn Jahre lang jeweils zehn Prozent der Straßen der Kernstadt für den Verkehr sperren wollen? Denn das ist ja das rechnerische Ergebnis. Wenn ich das in zehn Jahren tun möchte, muss ich in zehn Jahren zehn Prozent der Straßen jedes Jahr letztendlich aufgraben und mit neuen Leitungen versehen. Das heißt, in 50 Prozent der Innenstadt ist über zehn Jahre jeweils ein Zehntel davon gesperrt.

Das trifft nicht nur den Individualverkehr, das trifft auch den Straßenbahn- und den Busverkehr. Wollen Sie das der Stadt zumuten, dass fünf Prozent aller Straßen in der Innenstadt über zehn Jahre lang nicht verkehrlich nutzbar sind? Wollen Sie es den Menschen in den Randgebieten dieser Stadt zumuten, dass in den 75 Prozent der Gebiete über zehn Jahre hinweg zehn Prozent gebaut wird und verkehrlich nicht nutzbar ist? Herr Oberbürgermeister, ist das Ihr Ziel?

Das ist die Konsequenz, wenn wir neue Netze verlegen. Und ich meine, wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber auch ehrlich sein. Ich weiß, dass es Vorbehalte gegen die Energiewende gibt. Aber wenn wir solche Ziele formulieren, Herr Oberbürgermeister, dann tun wir der Energiewende einen Bärendienst, weil wir Ängste schüren, weil Menschen denken, jetzt passiert hier etwas Dramatisches in unserer Stadt, was überhaupt nicht umsetzbar ist. Wenn wir neue Netze benötigen – und ich vermute, wir benötigen sie -, wird dies bis 2038 nicht leistbar sein.

Ich bitte Sie, Herr Oberbürgermeister, heute ein klarstellendes Wort zu sprechen, dass Sie diese dramatischen Umbaumaßnahmen in unserem Straßensystem nicht bis 2038 über das Knie brechen und durchdrücken wollen. Geben Sie dieses klare Signal heute an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig. – Vielen Dank.

(…)

Stadtrat Morlok (Freibeuter): Herr Oberbürgermeister! Ich muss jetzt leider noch einmal dagegenreden, weil die Kosten eine ganz entscheidende Frage sind. Wenn wir im Jahre 2023 einen kommunalen Wärmeplan vorgelegt bekommen und gegebenenfalls auch im Stadtrat beschließen, müssen wir zwar nicht wie in einem Bau- und Finanzierungsbeschluss eine sehr detaillierte Kostenplanung haben, aber wir müssen ein Gefühl dafür haben, was uns das denn kosten würde.

Wir können doch nicht beschließen, dass wir das wollen, aber was es kostet, wissen wir nicht. Wenigstens die Größenordnungen müssen doch definiert werden. Es sind schließlich auch Kosten, die auf der Seite der Stadt Leipzig anfallen, Verkehrsinfrastrukturen beispielsweise. Es sind Kosten, bei denen ja auch die L-Gruppe berechnen muss, ob sie das stemmen und finanzieren kann, ob das überhaupt möglich ist.

Also, Herr Oberbürgermeister, eine Größenordnung muss doch im Jahr 2023 vorliegen. Ich meine, wir müssten uns darüber im Klaren sein: Reden wir hier über 100 Millionen oder reden wir über eine Milliarde? Die Frage der Größenordnung müssen wir doch einmal diskutieren. Es geht nicht um Centbeträge, aber die Größenordnung muss doch klar sein.

Es muss auch ein Signal an die Hauseigentümer, an die Grundstückseigentümer gegeben werden. Ich sage nicht, dass wir ein fertiges Förderprogramm beschließen müssen. Wenn wir aber irgendwann irgendwo Leitungen kappen, in denen momentan Gas fließt und in denen dann etwas anderes fließen soll, muss der Eigentümer zu dem bestimmten Zeitpunkt umstellen, und zwar ob er wirtschaftlich dazu in der Lage ist oder nicht. Sich darüber Gedanken zu machen, wie man mit einer solchen Situation umgeht, gehört auch dazu. Da geht es nicht um das Förderprogramm, sondern man muss sich auch darüber Gedanken machen, wie man mit diesen Dingen umgeht, die dann auf uns zukommen.

Außerdem muss man sich darüber Gedanken machen, wie man mit den Erhaltungssatzungen um- geht. Ich habe nicht gesagt, dass Sie die Satzungsänderungen schon bis 2023 vorlegen müssen, aber Sie müssen doch überlegen, wie Sie das machen, weil es schließlich bundesgesetzliche Regelungen sind. Haben Sie eine Idee, wie man es so gestaltet, dass es dann funktioniert? Das ist das Anliegen. Das muss zusammen mit dem Wärmeplan gedacht werden und nicht erst hinterher. Deswegen, Herr Oberbürgermeister, müssten Sie eigentlich alle diese Punkte übernehmen.”

(Es gilt das gesprochene Wort)