Stadtwerk(statt)Wohnungsleerstand – gemeinsam Potentiale für Freiräume und bezahlbaren Wohnraum heben (VII-A-01856-NF-03) Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Aus der Fortsetzung der Ratsversammlung am 24.02.2021
Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leerstand hat unterschiedliche Gründe. Und wenn ich schon wieder die Rede vom „spekulativen Leerstand“ höre, sträuben sich bei mir ein bisschen die Nackenhaare. Denn: Die überwiegende Anzahl von Vermietern, auch in der Stadt Leipzig, sind nicht große Immobilienkonzerne, sondern das sind die privaten Vermieter, die einige wenige Wohnungen oder vielleicht ein oder zwei Häuser haben, die sie vermieten.
Diese Eigentümer sind keine Spekulanten am Wohnungsmarkt, sondern die bewerten ihre Entscheidungen zu Instandsetzung und Modernisierung hinsichtlich der Marktlage und auch hinsichtlich dessen, was sie bei der Vermietung von Wohnungen verdienen können. Dabei setzen sie natürlich die Instandhaltungskosten den zusätzlichen Mieterträgen gegenüber. Aus diesem Grund ist es wichtig, wenn wir über Leerstand und spekulativen Leerstand reden, festzuhalten, dass wir über bezüglich des Letzteren über einen sehr geringen Anteil in Leipzig reden. Das sollten wir deutlich machen, weil das in der öffentlichen Diskussion auch ein wenig anders ankommt.
Ich denke, es ist ganz normal, dass sich jemand, der Wohnungseigentum hat und vor der Frage steht, ob er modernisiert oder investiert, natürlich die Mieterträge, die er in einer absehbaren Zeit erzielen kann, gegenüberstellt. Das machen wir alle. Bei unseren eigenen Investitionsentscheidungen im privaten Bereich machen wir eine Kosten-Nutzen-Erwägung und schauen uns an: Das sind die Kosten, das sind die Erträge in der Zukunft – rechnet sich das, oder rechnet sich das nicht? Das ist eine ganz normale Herangehensweise. Wenn Sie sagen, dass Sie unter dem Strich Verlust machen, lassen Sie es sein. Das ist aus meiner Sicht nicht spekulativ, sondern das ist eine ganz normale Kosten-Nutzen-Abwägung aufgrund von entsprechenden Marktpotentialen, dass sich irgendetwas zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht rechnet.
Die Leute, die so entscheiden, darf man nicht als Spekulanten bezeichnen. Das ist für mich in der Bewertung der Situation sehr wichtig. Wenn man dieses von mir gezeichnete Bild der Vermieter in der Stadt Leipzig hat, was auf die überwiegende Anzahl von ihnen zutrifft, dann kommt man auch zu einer anderen Bewertung der beiden Anträge. Während der erste Antrag, die „Stadtwerk(statt)“, das Ziel hat, ins Gespräch zu kommen, aufzuklären, vielleicht auch Brücken zu bauen, um Lösungen zu finden, kommt der zweite Antrag mit der Keule des Staates. Hier geht es dann um Ersatzvornahmen und andere Dinge.
Deswegen bewerten wir die beiden Anträge auch unterschiedlich: Während der erste Antrag ein Gesprächsangebot ist, ein Angebot zur Hilfe, das wir ausdrücklich unterstützen, geht der zweite Antrag – gerade nach der Übernahme des Antrags der LINKEN – auch um Ersatzvornahmen, die die LESG im Auftrag der Stadt vornehmen möchte. Dabei ist fraglich, ob überhaupt eine Rechtsgrundlage dafür besteht. Das sind Dinge, die wir ablehnen werden.
Wir haben in der letzten Woche schon darüber diskutiert, dass irgendwelche Leerstandskataster, die öffentlich sind, aus unserer Sicht rechtswidrig wären, weil Sie gar nicht öffentlich darstellen dürfen, dass irgendeine Wohnung mit einer bestimmten Adresse leer steht. Dennoch sehen wir jetzt auch wieder Formulierungen wie „Sichtbarmachung von Leerstand prüfen“. Wir dürfen den Leerstand in den einzelnen Wohnungen, in den einzelnen Objekten, nicht öffentlich sichtbar machen. Auch das ist ein Grund, warum wir dem zweiten Antrag sehr kritisch gegenüberstehen.
Leerstand ist ein Problem, aber der Leerstand wird auch durch den Markt sowie die Regelungen und Gesetze verursacht, die wir auf den verschiedenen Ebenen der Politik verabschieden. Wenn wir Rahmensetzungen für die Vermietung vornehmen und Auflagen für die Modernisierung erteilen, sind wir auf der einen Seite Preistreiber, und auf der anderen Seite verhindern wir Einnahmen in der gewünschten Höhe. Da dürfen wir uns nicht ganz frei von Schuld sprechen, wenn wir das Thema Leerstand diskutieren – und zwar als Politik ganz allgemein, auf den verschiedenen Ebenen.
Um es kurz zu machen: Wir werden dem ersten Antrag zustimmen, weil er auf die entsprechenden Eigentümer zugeht und ein Gesprächsangebot sowie mögliche Lösungsansätze formulieren möchte, den zweiten Antrag jedoch ablehnen.”
(Es gilt das gesprochene Wort)