Zweite Fortschreibung des Nahverkehrsplans der Stadt Leipzig (VI-DS08001) Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und Bau
Aus der Ratsversammlung am 18.12.2019
Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans und auch die Änderungsanträge zeigen, woran es eigentlich mangelt: an Planung. Bereits im Entwurf der Fortschreibung sind eine ganze Menge Prüfaufträge vorgesehen. Durch die Änderungsanträge der Fraktionen, aber auch der Ortschaftsräte kommen weitere Prüfaufträge hinzu. Das ist symptomatisch für die Situation, dass Grundlagen fehlen. Es wurde bereits in der Debatte darauf hingewiesen von Frau Riekewald: Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans wurde mehrmals verschoben. Auch die Mobilitätsstrategie, die wir vor einem Jahr beschlossen haben, wurde mehrmals verschoben. Strategien, Konzepte, Planungen fehlen oder wurden zu spät vorgelegt. Das ist das Grundproblem im ÖPNV, aber auch im MIV, im Radverkehr, im Fußverkehr hier in der Stadt.
Herr Oberbürgermeister, Sie haben Ihr Amt Anfang 2006 angetreten. 2018 konnten wir über die Mobilitätsstrategien beschließen. Zwölf Jahre – zwölf Jahre! -, um eine Mobilitätsstrategie für die Stadt Leipzig zu erarbeiten. Ich weiß nicht, ob es stimmt, was Frau Riekewald gesagt hat, dass Sie daran kein persönliches Interesse haben, aber dass wir so wenige Planungen vorliegen haben, ist ein Versäumnis, das Sie sich auch persönlich müssen ankreiden lassen. Sie haben zwar noch die Kurve gekriegt, aber reichlich spät. Und Planung, sehr geehrte Damen und Herren, ist wichtig, weil entscheidend für die Attraktivität des ÖPNV das Angebot ist – und ich meine das gefahrene Angebot, das Angebot an Bussen, das Angebot an Bahnen. Frau Dubrau, Sie haben darauf hingewiesen: 19 Prozent Fahrgaststeigerungen in vier bis fünf Jahren. – Ein anspruchsvolles Ziel. Da müssen wir entsprechend investieren. Und wir müssen auch das veränderte Mobilitätsverhalten der Menschen mit berücksichtigen. Es hat auch etwas mit verändertem Erwerbsverhalten zu tun. Arbeitszeiten sind nicht mehr fix von morgens bis nachmittags heutzutage, sie gehen in die Nacht hinein. Das heißt also, auch die Ausdehnung des entsprechenden Angebotes nicht nur im Bereich der Busse, sondern auch bei den Bahnen ist deswegen wichtig. Wir freuen uns, dass Sie einen entsprechenden Antrag unserer Fraktion zur Überprüfung übernommen haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, gerade auch für die Besucher unserer Stadt ist das Thema der Ausschilderung von Verkehr, von ÖPNV sehr wichtig. Wer in Leipzig wohnt, der kennt seine Linien, mit denen er immer fährt. Aber für die Besucher unserer Stadt – und wir werden ja für Besucher immer attraktiver und wollen noch attraktiver werden – ist es natürlich wichtig, dass wir dies verbessern. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Attraktivität hat auch etwas mit Pünktlichkeit zu tun. Pünktlichkeit kann aber dann besonders gewährleistet werden, wenn die Bahnen auf eigenen Trassen fahren und nicht im Verkehr steckenbleiben. Deswegen sind neue Trassen wichtige Investitionen für die Attraktivität des ÖPNV. Aber auch alte Trassen sind wichtig. Allein die Sanierung der Hauptachse wird, wenn man Medienberichten glauben darf, 550 Millionen Euro kosten. Das ist eine gewaltige Geldsumme, die nur dann leistbar ist, wenn wir die entsprechenden Finanzmittel vom Bund auch bekommen. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es wichtig, dass wir die Mittel, die wir haben und die wir einwerben können, in das Angebot, in die Schienen, in die Bahnen und in die Busse investieren. Ins Angebot investieren, statt Fahrpreise zu subventionieren, das ist die Antwort für den ÖPNV in der Stadt Leipzig. Weil wir den MIV zurückdrängen wollen, ist es auch die Antwort auf die Klimaprobleme und der Beitrag, den wir als Leipzig leisten können. Da bin ich schon beim 365-Euro-Ticket. Den Prüfauftrag haben wir bereits beschlossen.
Was heute zur Debatte steht, ist nur eine Wiederholung desselben. In dem Zusammenhang wurde immer wieder das Beispiel der Stadt Wien angeführt. Wir haben verschiedene Dinge im ÖPNV getan. Wir hatten hier im Rahmen der Summerschool einen Vortrag über das Konzept der Stadt Wien. Herr Oberbürgermeister hat sogar unsere Stadtratssitzung unterbrochen, damit die Stadträte daran teilnehmen konnten. Ich weiß, dass neben mir auch Herr Zenker und Frau Riekewald dort waren. Hier wurde uns dargelegt, dass der Erfolgsschlüssel des ÖPNV in der Stadt Wien das Angebot war, die Ausweitung des Angebots in der Stadt Wien, und eben nicht die dann erfolgte Absenkung der Ticketpreise. Frau Riekewald, Sie hatten damals in der Veranstaltung extra noch einmal eine Nachfrage gestellt, ob es auch wirklich so ist. Und auf Ihre Nachfrage hin hat man Ihnen ausdrücklich bestätigt: Ja, das ist so gewesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken und von der SPD, Sie sollten bereit sein, auch Fakten zur Kenntnis zu nehmen. – Und sehr geehrte Frau Riekewald, ob jemand, der Fakten so hartnäckig ignoriert wie Sie, die geeignete Person zur Führung unserer Stadt sein könnte. Ein weiterer Punkt: die Situation zum behindertengerechten Ausbau unserer Haltestellen. Wir haben eine gesetzliche Verpflichtung, dies zu tun, werden aber vom Fördermittelgeber Bund und Land beim Handeln alleingelassen. Das ist schon reichlich grotesk, wenn auf einer höheren Ebene beschlossen wurde, dass etwas zu tun ist, man aber das entsprechende Geld nicht zur Verfügung stellt. Wir wissen, dass wir das ohne die Förderung nur schwer umsetzen können. Herr Oberbürgermeister, deswegen gibt es einen gemeinsamen Änderungsantrag von SPD und Freibeutern mit dem Ziel, Verhandlungen zu führen. Aber, Herr Oberbürgermeister, es muss auch klar sein: Wenn die Verhandlungen nicht zum Erfolg führen – deswegen die Fristsetzung auf Mitte des Jahres -, dann müssen wir über das Thema auch hier im Stadtrat erneut reden, denn dann stellt sich die Frage, ob wir uns tatsächlich auf diesen langen Zeithorizont einlassen dürfen. Wenn ich schon beim Geld bin: Wir haben von Ihnen eine Vorlage bekommen, in der nicht steht, was es kostet. Bestellen, ohne zu wissen, was es kostet. Das ist ungefähr so, als ob Sie uns einen Baubeschluss zu einer neuen Schule vorlegen, bei dem der Finanzierungsteil fehlt. Wir bauen eine Schule, aber wissen nicht, was sie kostet. Genau so ist die Vorlage des Nahverkehrsplans. Es wäre eigentlich Ihre Aufgabe gewesen, die entsprechenden Zahlen einzufügen und bereitzustellen. Auf Initiative der Stadträte aller Fraktionen ist letztendlich ein Finanztableau auf den Tisch gekommen. Wir wissen, dass die Finanzierung bei der LVV abgedeckt ist, aber im Stadthaushalt gibt es große Fragezeichen. Es ist doch selbstverständlich, Herr Oberbürgermeister, wenn Sie uns in einer Fortschreibung des Nahverkehrsplans bestimmte Maßnahmen zur Realisierung bis 2024 vorschlagen, dass Sie dann als Oberbürgermeister auch die entsprechenden Mittel, die aus dem Stadthaushalt dafür erforderlich sind, in die Haushaltspläne der jeweiligen Jahre aufnehmen. Es ist eine pure Selbstverständlichkeit. Nichts anderes beantragen die Linken und wir hier gemeinsam. Und wenn Sie dann diesen Änderungsantrag mit Ablehnung votieren, stellen sich für mich schon ganz grundsätzliche Fragen. Wenn ein Oberbürgermeister der Stadt sich weigert, die finanziellen Auswirkungen der von ihm gemachten Vorschläge in den Haushalt aufzunehmen, dann sollte er sich das gut überlegen. Aber auch hier könnte man die Frage der Eignung aufrufen. Wir werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Nahverkehrsplan zustimmen. Wir verknüpfen das aber mit der dringenden Erwartung, dass der Zeit- und Maßnahmenplan, über den schon gesprochen wurde, tatsächlich im Januar auf den Tisch des Hauses kommt, sodass wir nämlich dieses Versäumnis, den Rückstand in der Planung wettmachen können. An diesem Thema müssen wir hart arbeiten. Nur wenn uns das gelingt, hat der ÖPNV in der Stadt Leipzig wirklich eine gute Zukunft. – Vielen Dank.”
(Es gilt das gesprochene Wort)