Rechtskonforme Besetzung der Aufsichtsräte

Anfrage:

Die Zusammensetzung der Aufsichtsräte, in welche die Stadt Leipzig Mitglieder zu entsenden hat, erfolgt nach § 98 (2) der Gemeindeordnung entsprechend den Regelungen für Ausschüsse in § 42 (2) der Gemeindeordnung. Gemäß § 42 (2) der Gemeindeordnung
sind auch nachträgliche Änderungen des Stärkeverhältnisses der Fraktionen zu berücksichtigen.

Im Mai 2017 hat sich die Fraktion Freibeuter gebildet. Dadurch wird eine nachträgliche Änderung der Aufsichtsratsbesetzung erforderlich.
Kommt ein Einvernehmen über die Besetzung der Aufsichtsräte nicht zustande, erfolgt nach § 42 (2) Gemeindeordnung entweder die Wahl aller Aufsichtsräte nach den Grundsätzen der Verhältniswahl oder (wie bereits bei Besetzung Ausschüsse praktiziert) in dem der Stadtrat entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen die Anzahl der Sitze für jede Fraktion in
jedem Aufsichtsrat bestimmt und die Mitglieder durch die Fraktionen entsandt werden.

Dem Oberbürgermeister ist seit Juni 2017 bekannt, dass ein Einvernehmen über die Besetzung der Ausschüsse nicht zustande kommt.

Diesbezüglich fragen wir an:

  1. Hält es der Oberbürgermeister für angemessen, dass er nach über zwei Monaten noch keinen Vorschlag zum Verfahren zur Besetzung der Aufsichtsräte vorlegen konnte?
  2. Welche Rechtsfolgen könnten sich aus der Tatsache ergeben, dass die Aufsichtsräte über einen so langen Zeitraum nicht wie in der Gemeindeordnung gefordert, nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen besetzt sind?
  3. Welches Verfahren wird der Oberbürgermeister dem Stadtrat für eine rechtskonforme Besetzung der Aufsichtsräte vorschlagen?
  4. Bis wann wird eine rechtskonforme Besetzung der Aufsichtsräte erfolgen?

Anlage Auszug aus der SächsGemO:

§ 98 SächsGemO – Vertretung der Gemeinde in Unternehmen in Privatrechtsform, Abs. 2 SächsGemO:

“Hat die Gemeinde das Recht, Personen als Mitglied des Aufsichtsrates oder eines entsprechenden Überwachungsorgans zu entsenden oder der Gesellschafterversammlung zur Wahl vorzuschlagen, werden diese vom Gemeinderat bestimmt. Ist mehr als ein Mitglied zu bestimmen, gilt § 42 Abs. 2 entsprechend. Die Entsendung ist widerruflich. Als Mitglieder nach Satz 1 dürfen nur Personen bestimmt werden, die über die für diese Aufgabe erforderliche betriebswirtschaftliche Erfahrung und Sachkunde verfügen.Wenn diese Gemeinde mehr als ein Mitglied in den Aufsichtsrat entsenden oder der Gesellschafterversammlung zur Wahl vorschlagen kann, dann ist auch der Bürgermeister oder ein von ihm benannter Bediensteter der Verwaltung vom Gemeinderat zu bestimmen.”

§ 42 SächsGemO – Zusammensetzung der beschließenden Ausschüsse, Abs. 2 SächsGemO:

„Die Zusammensetzung der Ausschüsse soll der Mandatsverteilung im Gemeinderat entsprechen. Kommt eine Einigung über die Zusammensetzung eines beschließenden Ausschusses nicht zustande, werden die Mitglieder von den Gemeinderäten auf Grund von Wahlvorschlägen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl unter Bindung an die Wahlvorschläge gewählt. Wird nur ein gültiger oder kein Wahlvorschlag eingereicht, findet Mehrheitswahl ohne Bindung an die vorgeschlagenen Bewerber statt. Anstelle der Wahl der
Ausschussmitglieder kann der Gemeinderat beschließen, dass sich alle oder einzelne Ausschüsse nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammensetzen; § 21 Abs. 1 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Freistaat Sachsen (Kommunalwahlgesetz – KomWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. September 2003 (SächsGVBl. S. 428, 2004 S. 182), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 28. November 2013 (SächsGVBl. S. 822, 839) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, gilt entsprechend. In diesem Fall werden die Ausschussmitglieder dem Bürgermeister von den Fraktionen schriftlich benannt; dieser gibt dem Gemeinderat die Zusammensetzung der Ausschüsse schriftlich bekannt. Die Mitglieder der Ausschüsse können sich im Einzelfall durch andere Gemeinderäte vertreten lassen. Die von einer Fraktion benannten Ausschussmitglieder können von dieser abberufen werden; die Abberufung ist gegenüber dem Bürgermeister schriftlich zu erklären. Nachträgliche Änderungen des Stärkeverhältnisses der Fraktionen, die sich auf die Zusammensetzung der Ausschüsse auswirken, sind zu berücksichtigen; Satz 5 gilt entsprechend.“

Anfrage im Allris

Antwort (mündlich in der Ratsversammlung):

Bürgermeister Hörning:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den in der Anfrage gestellten Fragen nehmen wir wie folgt Stellung:

Zur Frage 1.

Der Stadtrat hat mit Beschluss vom 10.12.2014 eine Wahl- und Entsendeordnung zur Besetzung von Aufsichtsräten in kommunalen Unternehmen und zur Wahl von Verbandsräten für die Verbandsversammlungen beschlossen. Hiernach erfolgt die Besetzung nach dem Benennungsverfahren. Das Verfahren zur Besetzung der Aufsichtsräte wurde damit vom Stadtrat festgelegt und kann nur von diesem geändert werden. Erfolgt eine einvernehmliche Besetzung nach diesen Regelungen durch den Stadtrat nicht, kann beantragt werden, den Beschluss aufzuheben und eine Wahl nach § 42 Absatz 2 Gemeindeordnung für die Besetzung durchzuführen. Zuständig ist der Stadtrat. Einen Vorschlag des OBM kann es aufgrund der aktuellen Beschlusslage nicht geben; denn die Besetzung der Aufsichtsräte ist durch den Stadtrat ordnungsgemäß erfolgt. Änderungen obliegen der Entscheidung durch den Stadtrat.

Der seitens der Fragesteller jedoch zwischenzeitlich gewählte Weg auch einer formellen Anzeige gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde hinsichtlich etwaiger, damit verbundener rechtlicher Implikationen macht es gerade aus Gründen der Rechts- und Verfahrenssicherheit erforderlich, grundsätzlich denkbare Handlungsoptionen bzw. -alternativen noch einmal einer intensiven rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Dazu steht die Stadt mit der Landesdirektion in Kontakt. In Abhängigkeit vom Ergebnis wird sie sich diesbezüglich im weiteren Verfahren danach richten. Ziel ist, Klarheit über rechtskonforme Verfahren im Vorfeld der Ratsversammlung im September zu erhalten.

Zur Frage 2.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen dafür keine Anhaltspunkte vor bzw. sind nicht ersichtlich.

Zur Frage 3.

Es besteht ein rechtskonformes Verfahren zur Besetzung der Aufsichtsräte, das vom Stadtrat als zuständigem Organ beschlossen wurde. Soweit davon abgewichen werden soll, obliegt diese Entscheidung allein dem Stadtrat.

Zur Frage 4.

Die Aufsichtsräte sind rechtskonform besetzt. Etwaige Änderungen der Besetzung aufgrund der Gründung einer neuen Fraktion unterliegen der Abstimmung zwischen den Fraktionen.

Nachfrage von Stadtrat Hobusch (Freibeuter):

Vielen Dank, Herr Hörning, für die Antwort. Ich habe mehrere Nachfragen, die sich an den Oberbürgermeister richten.

Wir haben hier im Jahr 2012 gemeinsam beschlossen, dass der Aufsichtsrat der LVV mindestens mit einem Mitglied jeder Fraktion besetzt sein soll und dass dies spätestens in der neuen Legislatur umgesetzt werden soll. Meine erste Frage: Warum wurde das 2014 nicht umgesetzt, und warum hat die AfD-Fraktion keinen Sitz im LVV-Aufsichtsrat?

Oberbürgermeister Jung:

Das werde ich selbst beantworten. – Weil der Stadtrat sich 2014 sich für ein anderes Verfahren entschieden hat und die Besetzung hier mehrheitlich einvernehmlich geklärt hat. Aber selbstverständlich – das wissen Sie, Herr Hobusch; das kann ich auch noch einmal öffentlich sagen – werde ich dem Stadtrat vorschlagen, dass wir diesen Stadtratsbeschluss mit einer neuen Fraktion dann auch umsetzen. Ich hatte Ihnen im Ältestenrat dahin gehend auch schon einen Vorschlag unterbreitet, wie man das machen könnte, dem Sie aber leider nicht zugestimmt haben.

Nachfrage von Stadtrat Hobusch (Freibeuter):

Meine zweite Nachfrage: Wir haben mit der Anzeige der Fraktionsgründung einen Personalvorschlag und damit einen Wahlvorschlag für den LVV-Aufsichtsrat unterbreitet. Unabhängig von der Besetzung der übrigen Aufsichtsräte, warum haben Sie bisher den Beschluss aus dem Jahr 2012 noch nicht umgesetzt und eine Vorlage zur Neubesetzung eingebracht?

Oberbürgermeister Jung:

Weil Sie sich an die Landesdirektion gewandt und um rechtliche Überprüfung gebeten haben. Das Ergebnis ist natürlich abzuwarten.

Nachfrage von Stadtrat Hobusch (Freibeuter):

Herr Oberbürgermeister, ist es richtig, dass unsere Anzeige bereits am 2. Mai erfolgte, die Anfrage an die Landesdirektion aber erst unmittelbar nach der letzten Stadtratssitzung im Juni?

Oberbürgermeister Jung:

Das ist richtig. Die Vorlage war vorbereitet. Wir haben im Ältestenrat intensiv versucht, Einvernehmen herzustellen. Das wäre uns und auch allen Fraktionsvorsitzenden, wenn ich das sagen darf, am liebsten gewesen.

Nachfrage von Stadtrat Hobusch (Freibeuter):

Herr Oberbürgermeister, werden Sie die Wahl der Aufsichtsräte auf die Tagesordnung der Ratsversammlung im September setzen, wenn ein entsprechender Antrag und Wahlvorschläge vonseiten der Fraktion Freibeuter vorliegen?

Oberbürgermeister Jung:

Im Ergebnis der Rechtsprüfung und in Abstimmung mit der Landesdirektion werden wir dann entscheiden müssen.

Nachfrage von Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Die Gemeindeordnung sieht vor, dass eine Änderung der Stärkeverhältnisse der Fraktionen, die sich im Laufe einer Legislatur ergibt, bei der Besetzung der Aufsichtsräte zu berücksichtigen ist. Jetzt haben Sie in der Antwort darauf verwiesen, dass eine Änderung des Stadtratsbeschlusses Sache des Stadtrates sei. Insofern ist das ein Widerspruch. Wir haben ein Gesetz, das vorsieht, dass angepasst werden muss, während Sie sagen: Das ist Stadtratsangelegenheit.

Deswegen meine Frage: Wenn das Stadtratsangelegenheit ist – Sie hatten ja die Verfahrensweise vorgeschlagen, den Beschluss von damals per Antrag aufzuheben -, würde das bedeuten: Wenn die Mehrheit im Stadtrat entscheiden würde, diesen Beschluss von damals nicht zu ändern, würde dieser Beschluss über der Vorgabe der Gemeindeordnung stehen, das unterjährig anzupassen. Ist dem so?

Oberbürgermeister Jung:

Ich bin kein Jurist. Aber ich denke einmal, so ist das. Das ist eine Sollvorschrift. Die Hoheit des Stadtrats an der Stelle ist wahrscheinlich in der Tat unangreifbar. Wir sollten abwarten, was die Landesdirektion uns dazu mitteilt. Ich befürchte, Herr Hobusch, dass, wenn es hier zum Wahlverfahren kommt, die Zusammensetzung eine ganz andere sein wird als die, die Sie sich wünschen.

Nachfrage von Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Herr Oberbürgermeister, darf ich noch eine Nachfrage stellen? – In § 42 Absatz 2 Gemeindeordnung heißt es: Nachträgliche Änderungen des Stärkeverhältnisses der Fraktionen, die sich auf die Zusammensetzung der Ausschüsse auswirken, – das findet ja hier analog Anwendung – sind zu berücksichtigen…

Ist nach Ihrer Auffassung die Wortwahl „sind zu berücksichtigen“ eine Sollbestimmung?

Oberbürgermeister Jung:

Das haben wir ja bei den Ausschüssen so gemacht.

Nachfrage von Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Ja, aber genau darauf wird Bezug genommen, nämlich dass dies auf Verfahren zur Besetzung der Ausschüsse anzuwenden ist; denn es heißt: „sind zu berücksichtigen“. Meine Frage ist: Ist die Formulierung „sind zu berücksichtigen“ in einem Gesetz, egal in welchem, eine Sollvorschrift?

Oberbürgermeister Jung:

Nein. Ich habe gesagt: Die Ausschüsse sind zu besetzen, und das haben wir gemacht. – „Sind zu berücksichtigen“ ist dann analog anzuwenden auf Aufsichtsräte. Bei Zweckverbänden sieht es schon anders aus, wie Sie wissen. – Ich möchte Sie hier nicht langweilen. Das ist eine differenzierte Betrachtungsweise von Ausschüssen, Zweckverbänden, Aufsichtsräten und sonstigen Gremien. Ich bin ziemlich sicher, dass Sie – es hilft alles nichts – sich miteinander ins Benehmen setzen müssen, um das zu klären. Ich verstehe mich da als Dienstleister.

Nachfrage von Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Da muss ich Ihnen widersprechen. Sie sind hier nicht Dienstleister, sondern Sie haben als Oberbürgermeister darauf zu achten, dass die Gesetze des Freistaates Sachsen in der Arbeit des Stadtrates eingehalten werden. Wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass etwas gemacht werden muss, können Sie nicht sagen: „Liebe Fraktionen, macht mal!“, sondern dann sind Sie derjenige, der dafür sorgen muss, dass das, was im Gesetz steht, auch umgesetzt wird.

Oberbürgermeister Jung:

Das mache ich, und ich biete Ihnen reichlich Material, damit Sie sich entscheiden können. Aber entscheiden müssen Sie. Sie haben irgendwann einmal gesagt, ich sei der Kellner. Ich habe Sie damals verbessert und gesagt: der Oberkellner. – Also: Sie bestellen, und ich bin der Oberkellner.

Nachfrage von Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Wenn wir einen Vorschlag zur Besetzung der Aufsichtsräte nach dem Benennungsverfahren – vorher: Sitzzahlbestimmung nach d’Hondt – hier in den Stadtrat einbringen, das also mathematisch durchrechnen würden – dann sind wir Dienstleister -, wären Sie dann bereit, diesen in der nächsten Stadtratssitzung zur Abstimmung zu stellen?

Oberbürgermeister Jung:

Warten wir einmal die rechtliche Überprüfung durch die Landesdirektion ab, die Sie veranlasst haben. Dann erhalten Sie den nächsten Vorschlag.

[…]

Nachfrage von Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Herr Oberbürgermeister, ist es richtig, dass Ihnen die Fraktion Freibeuter mitgeteilt hat, dass zu den von Ihnen gemachten Vorschlägen zur Besetzung der Aufsichtsräte ein Einvernehmen nicht besteht und dass deswegen die Regelungen zur Besetzung anzuwenden sind, die im Falle eines nicht vorhandenen Einvernehmens gelten?

Oberbürgermeister Jung:

Ja, das habe ich doch eben ausgeführt. – Ich denke, es ist alles gesagt.

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