Köhler (Piraten): “Videoüberwachung der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum seit Mai 2018 unzulässig”

Auf erneute Anfrage der Fraktion Freibeuter zur Datenschutz-Folgenabschätzung im Zusammenhang mit den Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum teilt die Stadtverwaltung in der Ratsversammlung am 11. Dezember 2019 mit, dass sie bis zum 25. Mai 2021 eine Datenschutz-Folgenabschätzung für die stadteigenen Video-Überwachungsanlagen vorlegen wird. Die Stadtverwaltung bezieht sich hierbei auf die „Orientierungshilfe zur Datenschutz-Folgenabschätzung“ des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz.

Damit trifft die Stadt Leipzig nur bedingt den Kern der Sache und das Anliegen der ursprünglichen Anfrage der Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat.

Diese Anfrage betraf die im August 2018 auf Initiative der Freibeuter vom Stadtrat beschlossene Kennzeichnung von Kameras im Online-Themenstadtplan der Stadt Leipzig. Baubürgermeisterin Dubrau verwies in der Ratsversammlung am 19. November 2019 auf eine unzureichende Datenlage in der Stadtverwaltung zu den Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum. Weder die Anzahl noch die Standorte der von der Stadt Leipzig und ihren Unternehmen und Eigenbetrieben betriebenen Videokameras seien der Verwaltung bekannt.

Die von der Stadtverwaltung zitierte Frist der o.g. Orientierungshilfe betrifft jedoch Bestandsanlagen: „bereits laufende, nach Art. 26 BayDG freigegebene Verarbeitungsvorgänge, die ohne wesentliche Veränderungen fortgeführt werden…“ Hier gilt die Nachweispflicht für diese Anlagen (Freigabe), gemäß der alten gesetzlichen Regelung.

Dazu Stadtrat Thomas Köhler (Piraten): “Offensichtlich hat die Stadt Leipzig den Termin zur Beibringung der Datenschutz-Folgenabschätzung für ihre Videokameras willkürlich gewählt, um ihr Versäumnis zu rechtfertigen. Es ist weiterhin nicht hinnehmbar, dass die Stadtverwaltung keine Kenntnis über Art, Anzahl und Standort der Anlagen zur Kameraüberwachung hat. Weiterhin gilt der Passus ausdrücklich nicht für Anlagen, die nach Inkrafttreten der DSGVO installiert wurden.”

Köhler weiter: “Hieraus ist zu schließen, dass die durch die Stadt Leipzig angebrachten Kameras nicht mit der DSGVO und dem Bundesdatenschutzgesetz, ja nicht einmal mit dem Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung vor 2018 vereinbar sind. Am 27. April 2016 trat die Datenschutzgrundverordnung in Kraft, seit 25. Mai 2018 gilt sie ohne Aufschub. Zwei ungenutzte Jahre, um eine Datenschutz-Folgenabschätzung für die Kameras der Stadt Leipzig bis zum Stichtag 2018 zu erarbeiten. Und fast 2 weitere Jahre, in denen die Stadt Leipzig seither gegen geltendes Recht verstößt.”

Die Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat beantragt daher die Außerbetriebnahme der Videokameras der Stadt Leipzig sowie ihrer Unternehmen und Eigenbetriebe im öffentlichen Raum.

“Ohne eine Datenschutz-Folgenabschätzung oder einen Nachweis für Bestandsanlagen, der eine Fristverlängerung rechtfertigt, sind die Kameras abzuschalten. Die Stadtverwaltung scheint überhaupt erst auf beharrliches Nachfragen der Fraktion Freibeuter auf die Gesetzeslage aufmerksam geworden zu sein. Nach dieser Erkenntnis will sie sich nun insgesamt drei Jahre Zeit nehmen, um den gesetzlichen Forderungen nachzukommen”, so Köhler, der die Fraktion Freibeuter im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau vertritt.

Datenschutz und Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum

Anfrage:

Anlässlich der Ausführungen der Bürgermeisterin Dubrau in der Ratsversammlung am 19. November 2019 zur Kenntlichmachung von Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum im Themenstadtplan fragen wir an:

  1. Wer entscheidet über die Aufstellung der Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum?
  2. Wem liegen im Zusammenhang mit den durch die Stadt Leipzig im öffentlichen Raum aufgestellten Kameras
    • die systematische Beschreibung der geplanten Verarbeitungsvorgänge
      und der Zwecke der Verarbeitung, gegebenenfalls einschließlich der von
      dem Verantwortlichen verfolgten berechtigten Interessen,
    • die Bewertung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der
      Verarbeitungsvorgänge in Bezug auf den Zweck,
    • die Bewertung der Risiken für die Rechte und Freiheiten der
      betroffenen Personen (…) und
    • die zur Bewältigung der Risiken geplanten Abhilfemaßnahmen,
      einschließlich Garantien, Sicherheitsvorkehrungen und Verfahren, durch
      die der Schutz personenbezogener Daten sichergestellt und der Nachweis
      dafür erbracht wird, dass diese Verordnung eingehalten wird, wobei den
      Rechten und berechtigten Interessen der betroffenen Personen und
      sonstiger Betroffener Rechnung getragen wird,
    • im Rahmen der Datenschutz-Folgenabschätzung vor?
  3. Ist der Datenschutzbeauftragte in die Datenschutz-Folgenabschätzung involviert?

Antwort:

1. Wer entscheidet über die Aufstellung der Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum?

Die Entscheidung über die Aufstellung von Videokameras obliegt den Dezernaten, Ämtern und Eigenbetrieben, die im Rahmen ihrer Aufgaben oder in Ausübung des Hausrechts personenbezogene Daten verarbeiten. Bei verwaltungsgenutzten Liegenschaften wird grundsätzlich das Amt für Gebäudemanagement einbezogen, insbesondere bei Video­überwachungen, die in Wahrnehmung des Hausrechts erfolgen.

2. Wem liegen im Zusammenhang mit den durch die Stadt Leipzig im öffentlichen Raum aufgestellten Kameras

a) die systematische Beschreibung der geplanten Verarbeitungsvorgänge und der Zwecke der Verarbeitung, gegebenenfalls einschließlich der von dem Verantwortlichen verfolgten berechtigten Interessen,

b) die Bewertung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Verarbeitungsvorgänge in Bezug auf den Zweck,

c) die Bewertung der Risiken für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen (…) und

d) die zur Bewältigung der Risiken geplanten Abhilfemaßnahmen, einschließlich Garantien, Sicherheitsvorkehrungen und Verfahren, durch die der Schutz personenbezogener Daten sichergestellt und der Nachweis dafür erbracht wird, dass diese Verordnung eingehalten wird, wobei den Rechten und berechtigten Interessen der betroffenen Personen und sonstiger Betroffener Rechnung getragen wird,

im Rahmen der Datenschutz-Folgenabschätzung vor?

Die Dokumentation von Videoüberwachungen ist Aufgabe der Dezernate, Ämter und Eigenbetriebe, die im Rahmen Ihrer Aufgaben oder in Wahrnehmung des Hausrechts Videoüberwachungen durchführen.

Für Videoüberwachungen wurde noch keine Datenschutz-Folgenabschätzung durchgeführt. Soweit im Rahmen der Überprüfung von bestehender Verfahren die Erforderlichkeit einer Datenschutz-Folgenabschätzung festgestellt wird, wird entsprechend der Orientierungshilfe des Bayrischen Landesbeauftragten für den Datenschutz zur Datenschutz-Folgenabschätz­ung verfahren und die Datenschutz-Folgenabschätzung bis zum 25. Mai 2021 nachgeholt.

Obligatorisch ist diese bei der systematischen umfangreichen Überwachung öffentlich zu­gänglicher Bereiche (Art. 35 Abs. 3 Buchst. c DSGVO). Gemäß Erwägungsgrund 91 zur Datenschutzgrundverordnung stellt der Gesetzgeber auf eine „weiträumige Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche, insbesondere mittels optoelektronischer Vorrichtungen“ ab. Daneben können auch andere Umstände, die zu einem hohen Risiko für die Rechte und Freiheiten betroffener Personen führen, eine Datenschutz-Folgenabschätzung erfordern. Nicht jede Videoüberwachung erfordert daher eine Datenschutz-Folgenabschätzung.

3. Ist der Datenschutzbeauftragte in die Datenschutz-Folgenabschätzung involviert?

Die Durchführung erforderlicher Datenschutz-Folgenabschätzungen ist den zuständigen Dezernaten und Ämtern übertragen. Der Datenschutzbeauftragten und das Informations­sicherheitsmanagmentteam sind gem. Nr. 3.2.1 Dienstanweisung Informationssicherheit und Datenschutz (DA Nr. 18/2019) zu beteiligen.

Anfrage im Allris

Antwort im Allris

Köhler (Piraten): “Kameras in Leipzig: Keine Folgenabschätzung, keine Überwachung!”

Die Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat beantragt die Außerbetriebnahme der Kameras der Stadt Leipzig oder ihrer Eigenbetriebe im öffentlichen Raum, insofern der Stadt Leipzig keine Dokumentation im Sinne einer Datenschutz-Folgenabschätzung gemäß Datenschutzgrundverordnung vorliegt.

Dazu Stadtrat Thomas Köhler (Piraten): “Gemäß Datenschutzgrundverordnung sind im Zusammenhang mit der Aufstellung von Kameras im öffentlichen Raum Nachweise zu führen. Verantwortlich für die Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum ist der Datenschutzbeauftragte. Die Frage stellt sich, ob ihm die Nachweise vorliegen. Wenn nicht, sind sie schlichtweg nicht erbracht.”

Auf Anfrage der Fraktion Freibeuter im Leipziger Stadtrat zum Verbleib der im August 2018 auf Initiative der Freibeuter vom Stadtrat beschlossenen Kennzeichnung von Kameras im Themenstadtplan der Stadt Leipzig verweist Baubürgermeisterin Dubrau in der Ratsversammlung am 19. November 2019 auf eine unzureichende Datenlage in der Stadtverwaltung zu den Kameras der Stadt Leipzig im öffentlichen Raum. Weder die Anzahl noch die Standorte der von der Stadt Leipzig und ihren Eigenbetrieben betriebenen derartigen Einrichtungen seien der Verwaltung bekannt.

“Daraus ist zu schließen, dass auch keine eindeutigen Feststellungen zur Konformität der Einrichtungen mit DSGVO und BDSG getroffen werden können. Ein Grund, die Kameras abzuschalten”, so Köhler, der die Fraktion Freibeuter im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau vertritt.