Straßenbahnen in Leipzig – Elektrisch + smart + autonom

Straßenbahnen in Leipzig – Elektrisch + smart + autonom (VII-A-01731-NF-02) Einreicher: Fraktion Freibeuter

dazu Verwaltungsstandpunkt (VII-A01731-VSP-01) Einreicher: Dezernat Stadtentwicklung und Bau

Aus der Fortsetzung der Ratsversammlung am 24.02.2021

Stadtrat Köhler (Freibeuter): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren Beigeordnete! Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Werte Gäste und Medienvertreter! Die autonom fahrende, das heißt von künstlicher Intelligenz gesteuerte Straßenbahn kommt in Zukunft auf jeden Fall. Die Frage ist nur wann und natürlich: Will Leipzig ganz vorn dabei sein oder hinterherhinken?

In neun Tagen ist die Technik noch nicht ausgereift. Nehmen wir aber einmal an, vor 20, ach was, vor 10 Jahren hätte ein Mitglied der Ratsversammlung gefordert, dass die Stadtverwaltung sich auf digitale Ausschusssitzungen und Ratsversammlungen vorbereitet. Die Antwort wäre wahrscheinlich die gleiche gewesen: Die Technik ist nicht ausgereift und wir können auch nicht allen Stadträtin*innen ein Fernsehstudio zu Hause aufbauen. Das sind immer die Argumente von gestern, mit denen der Fortschritt abgelehnt wird.

Was ist nun die Forderung der Freibeuter im Antrag? – Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis 2025 zu prüfen. Das entspricht eins zu eins der Absichtserklärung der LVB von 2019, nämlich in Kooperation mit den Görlitzer Verkehrsbetrieben in einem gemeinsamen Innovationsprojekt Möglichkeiten des automatisierten Fahrens der Straßenbahn auszuloten. Deshalb verwundert es uns schon, dass die Verwaltung mit dem Verwaltungsstandpunkt diese Prüfung bereits für abgeschlossen hält. Wir fragen uns, ob der Verwaltungsstandpunkt mit der LVB – zumindest mit der, die diese Absichtserklärung gemacht hat – abgestimmt ist.

Äußerst kreativ wird von der Verwaltung smarte Linienführung mit ÖPNV „on demand“, also quasi ein Taxibetrieb für Straßenbahnen, übersetzt, was aus dem Antrag nicht herauszulesen ist. Wir haben es in der Neufassung noch einmal dargestellt. Gemeint ist natürlich eine smarte Lösung für Linienführung, die sich nach den Bedarfen der Nutzer*innen und nicht nach den Intentionen der Verkehrsgesellschaft von 1931 richtet. Dazu gehört auch eine Neuverteilung der Verkehrsströme an den Hauptumsteigepunkten. Die jetzige Konzentration auf den Hauptbahnhof erscheint nicht nur uns und nicht nur in der Pandemiesituation suboptimal.

Der nächste Punkt ist die Wirtschaftlichkeit, die im VSP verkürzt beantwortet wurde: Wirtschaftlich sind große Straßenbahnzüge. Hier muss ich grundsätzlich werden. Der schienengebundene ÖPNV in Leipzig ist ein wichtiger Bestandteil, wenn nicht der wichtigste, im Mobilitäts- und Umweltkonzept. Nicht der Massentransport von Menschen lockt diese in die Straßenbahn, bis jetzt ist es die schiere Notwendigkeit. Es sollte aber das Angebot werden: Wir bringen Sie schnell, sicher und bequem an jeden Ort zu jeder Zeit. Das bedeutet kürzere Taktung und weniger Umstiege, besonders solche an überfüllten Haltestellen. Somit sind auch kleinere Wagenzüge zu verwenden. Die Megazüge sind nämlich das kommende Argument, warum kürzere und dichtere Taktungen vor allem außerhalb der Hauptverkehrszeiten unwirtschaftlich erscheinen.

Das Argument, dass zudem im Schienenfahrzeugsektor kein vergleichbarer Business-Case wie beim Bus besteht – das heißt, die technischen Mehrkosten der Automatisierung im Busbetrieb die Kosten eines Fahrers für übliche 200 Passagiere im Linienbetrieb aufwiegen werden – lasse ich hier mehr oder weniger unkommentiert. Nur so viel: Das heißt, wir machen es nicht, weil es noch niemand berechnet hat. Die Produktion von Bussen gehört zur Automobilindustrie. Wen wundert es also, dass dort schon berechnet ist? Zur Prüfung des Antrags gehört aber die Berechnung und nicht nur die Analyse von vorhandenen Berechnungen.

Zum Thema Verkehrssicherheit: Die Verwaltung schreibt aus einer Analyse:

Sobald sich eine Straßenbahn […] im öffentlichen Verkehrsraum bewegt, bestehen an Sensorik und Aktorik keine geringeren Anforderungen als beim Bus, auch wenn das Ansteuern einer Lenkung entfällt. Aufgrund fahrdynamisch unvermeidbar längerer Bremswege muss das Umfeld sogar weiter ausgeleuchtet und vor allem interpretiert werden können.

Dabei geht es um den Vorteil der Automatisierung im Schienenverkehr gegenüber der im Straßenverkehr, den wir dargestellt haben. Das ließe nur den Umkehrschluss zu, dass ein Straßenbahnfahrer mehr Weitblick haben müsste als ein Busfahrer und besser ausgebildet sein müsste. Da aus dem vorstehenden Satz hervorgeht, dass alle Anforderungen an die automatisierte Tram ebenso hoch sind wie die an den autonomen Bus, ergibt sich also der Schluss: Der Straßenbahnfahrer muss besser ausgebildet sein als der Busfahrer. Warum benötigt also der Fahrer einer Straßenbahn dann nur den Pkw-Führerschein und eine Zusatzausbildung, der Busfahrer aber auch einen Busführerschein?

Ein letztes Wort, das mir noch wichtig erscheint: Die autonome Tram fährt natürlich auf einem geeigneten Schienennetz. Wie im Antrag formuliert:

Eine KI kann nicht an einer Kreuzung mit dem Weichen-Stellhebel aussteigen, weil die Weiche versagt.

Die Aufgabe der umfassenden Sanierung des Schienennetzes, die hierfür Voraussetzung ist, stellt sich natürlich ohnehin, wenn wir den ÖPNV nach vorne bringen wollen.

Ich bleibe dabei: Die autonome Tram kommt. Die Frage ist: Wollen wir vorne dabei sein? Ich bitte um Zustimmung zum Antrag, denn die Zukunft des ÖPNV beginnt jetzt und hier mit Ihrer Entscheidung. – Danke schön.”

(Es gilt das gesprochene Wort)