Anfrage:
Anhand der Antworten zu Anfragen der Fraktion Freibeuter im Jahr 2018 hinsichtlich der Fallzahlen von Ordnungswidrigkeiten (VI-F-06319) und der Aufstockung von Personal im Ordnungsamt (VI-F-06172) war festzustellen, dass die Fallzahlen pro Sachbearbeiter unangemessen hoch waren. Laut Verwaltung werden zwischen 2016 – 2018 ca. 2.300 Fälle pro Sachbearbeiter bei allgemeinen Ordnungswidrigkeiten bearbeitet. Jedoch sollten 2.000 Fallbearbeitungen je VZÄ im Jahr nicht dauerhaft überschritten werden, um Mängel an Qualität zu vermeiden, eine zeitnahe Bearbeitung zu sichern und den Eintritt der Verjährung wegen Zeitverfalls zu verhindern. Außerdem sollen die Vorgänge bei Verkehrsordnungswidrigkeiten die Zahl von mehr als 14.000 Fällen je VZÄ nicht überschreiten.
Wir fragen daher an:
1. Welche jährlichen durchschnittlichen Fallzahlen je VZÄ verzeichnet der Oberbürgermeister ab einschließlich 2019 im Vergleich zum Zeitraum 2016 – 2018 in den Bereichen Allgemeine Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsordnungswidrigkeiten?
2. Hat der Oberbürgermeister die in 2018 angekündigten kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt? Wenn nein, warum nicht? Welche stattdessen?
Am 9. November 2021 trat ein neuer Bußgeldkatalog in Kraft. Zudem hat die Stadt Leipzig bei den mobilen Blitzern aufgerüstet. Verkehrsexperten erwarten außerdem, dass Autofahrer vermehrt gegen die neuen hohen Bußgelder vorgehen werden.
3. Mit welchen Auswirkungen auf die Mitarbeiter im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten rechnet der Oberbürgermeister in den kommenden Jahren im Vergleich zu den vergangenen Jahren?
4. Welche Maßnahmen steuern der vom Oberbürgermeister skizzierten Entwicklung entgegen? Und werden diese angestrebt?
Antwort:
Zur Frage 1:
Die Angaben zu den Fallzahlen umfassen alle Tatbestände des ruhenden und des fließenden Verkehrs sowie Unfälle. Hinsichtlich der Feststellung beinhalten sie alle Anzeigen der kommunalen Verkehrsüberwachung, des Polizeivollzugsdienstes, anderer Ämter und Behörden sowie Privatanzeigen.
Der in der nachstehenden Tabelle für die Jahre 2020 und 2021 dargestellte Fallzahlenrückgang bedarf der Erläuterung. Er hat vor allem folgende Ursachen:
- In den Zeiträumen 19.03.2020 bis 11.05.2020 und 14.12.2020 bis 15.02.2021 wurden Kontrollkräfte der kommunalen Verkehrsüberwachung in erheblichem Umfang für Kontrollmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie eingesetzt. Es handelte sich hierbei um einen personellen Umfang von 60 bzw. 63 Mitarbeiter/-innen.
- Einstellung des Messbetriebes mit einem Messsystem, welches aufgrund Abweichung der Verkehrsfehlergrenze von Rechts wegen bundesweit nicht mehr eingesetzt werden durfte
- Außerbetriebnahme von drei wichtigen stationären Verkehrsüberwachungsanlagen infolge von Verkehrsbaumaßnahmen
- mehrere unbesetzte Planstellen, Einsatz von Mitarbeiter/-innen in der Kontakt-nachverfolgung sowie Briefwahlstelle
- Zudem wirkte sich der „Lockdown“ sowohl in der ersten Pandemiephase 2020 als auch im Dezember 2020 bis Februar 2021 auf das allgemeine Verkehrsaufkommen aus. Hier konnte zudem ein Rückgang festgestellt werden, welcher sich ebenfalls in den Fallzahlen niederschlägt.
Fallzahl pro VZÄ – Verkehrsordnungswidrigkeiten
Jahr | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 1. HJ 2021 |
Fallzahlen | 485.850 | 479.956 | 461.929 | 472.642 | 417.852 | 170.812 |
VZÄ lt. Stellenplan ohne SGL | 31,75 | 30,25 | 30,25 | 36,125 | 36,125 | 35,625 |
Fälle pro VZÄ lt. Stellenplan | 15.302 | 15.867 | 15.270 | 13.084 | 11.567 | 9.590* |
* Hochrechnung anhand des Halbjahres
Angaben zu den Fallzahlen des Sachgebietes Allgemeine Ordnungswidrigkeiten umfassen alle Anzeigen des Polizeivollzugsdienstes, anderer Ämter und Behörden sowie Privatanzeigen. Hier ist eine deutliche Fallzahlensteigerung erkennbar. Die Zunahme der zu bearbeitenden Vorgänge in den Jahren 2020 und vor allem im Jahr 2021 ist ausschließlich auf eine Fallzahlensteigerung von Ordnungswidrigkeiten auf Basis des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sowie der darauf fußenden Verordnungen und Allgemeinverfügungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zurückzuführen.
Seit April 2020 gingen bis zur 47. KW 2021 nunmehr 9.382 Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen verschiedenster Verstöße gegen die Regelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bei der Zentralen Bußgeldbehörde ein. Diese führten seit Beginn der Pandemie bis einschließlich 25.11.2021 zur Einleitung von insgesamt 8.512 Ordnungswidrig-keitenverfahren.
Kurzfristig konnte hier durch Unterstützung seitens der Mitarbeiter/-innen aus dem Bereich Verkehrsordnungswidrigkeiten innerhalb der Zentrale Bußgeldbehörde Unterstützung geleistet werden.
Fallzahl pro VZÄ – Allgemeine Ordnungswidrigkeiten
Jahr | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 1. HJ 2021 |
Fallzahlen | 13.400 | 12.556 | 14.074 | 14.046 | 14.318 | 10.834 |
VZÄ lt. Stellenplan ohne SGL | 6,0 | 7,0 | 8,0 | 10,0 | 10,0 | 10,0 |
Fälle pro VZÄ lt. Stellenplan** | 2.436 | 1.931 | 1.759 | 1.405 | 1.432 | 2.167* |
* Hochrechnung anhand des Halbjahres
** davon eine Stelle nur zu 0,5 VZÄ mit Fallbearbeitung befasst (lt. Stellenbeschreibung)
Zur Frage 2:
Wie unter Frage 1 dargestellt, ist eine Umsetzung der kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen erfolgt.
Zur Frage 3:
Mit dem Inkrafttreten der neuen Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) zum 09.11.2021 wird in der Tat mit einer Zunahme des Bearbeitungsaufwandes je Fall gerechnet. Dies liegt vor allem an der Verschiebung von Vergehen aus dem Verwarngeld- in den Bußgeldbereich, einer teilweise deutlichen Erhöhung der Strafen allgemein und der darauf fußenden Zunahme von Interventionen der Betroffenen im Anhörungsverfahren, einer Zunahme von Bußgeldbescheiden und Einsprüchen gegen die selbigen sowie der Zunahme von Fahrtenbuchauflagen und Lichtbildabgleichen zur rechtssicheren Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Gleichermaßen kann jedoch mit Blick auf die insgesamt härteren Sanktionen auch mit einer Verbesserung des Verkehrsverhaltens der Verkehrsteilnehmer gerechnet werden. Das ist schließlich auch Ziel des neuen Bußgeldkataloges. Das würde sich dann in einem Rückgang der Ordnungswidrigkeitenanzeigen zu Verkehrsordnungswidrigkeiten bemerkbar machen.
Gegenwärtig liegen weder zur Zunahme des Bearbeitungsaufwandes noch zu einem verbesserten Verkehrsverhalten verwertbare Erkenntnisse vor. In diesem Zusammenhang sind belastbare Zahlen, aus denen eine sichere Tendenz abgeleitet werden kann, nicht vor Ende des I. Halbjahres 2022 zu erwarten. Mithin kann momentan keine klare Aussage über einen perspektivisch insgesamt höheren Aufwand für die Bußgeldbehörde getroffen werden.
Zur Frage 4:
Sollte sich in Auswertung der Anzahl der in den kommenden Monaten eingehenden Anzeigen sowie des damit einhergehenden Bearbeitungsaufwandes in der Sachbearbeitung ein personeller Mehrbedarf in der Zentralen Bußgeldbehörde abzeichnen, ist beabsichtigt gegenzusteuern.