Abschleppen von verkehrsbehindernd geparkten Kraftfahrzeugen (hier: Widerspruch des OBM zu Satz 2) (VII-A00898-NF-02) Einreicher: Fraktion Freibeuter
Aus der Ratsversammlung am 07.10.2020
Stadtrat Köhler (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bonew! Meine Damen und Herren Beigeordnete! Kolleginnen und Kollegen Stadträte! Liebe Zuschauer im Saal und am LiveStream! Werte Pressevertreter! Wir haben unseren Antrag geändert. Darin steht nicht mehr „Freihalten der Flächen“, sondern das Freihalten eben dort, wo eine unmittelbare Gefahr droht.
Okay, ich fange einmal an; es sei mir ein wenig Sarkasmus erlaubt: Wäre die entscheidende Prüfungsfrage bei einer Führerscheinprüfung: Ist das Parkverbot im Kreuzungsbereich gemäß § 12 Abs. 3.1 verboten, um a) Autobesitzer am Parken zu hindern und sie zu bestrafen, wenn sie es doch tun, oder b) eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer zu vermeiden? – Nun stünde der Verfasser des Widerspruchs vor einem Dilemma. Im Widerspruch ist nämlich gesagt: kein Straf- oder Sanktionscharakter. Die Antwort a) stellt in der Definition einen Straf- bzw. Sanktionscharakter im Falle des Abschleppens fest, würde aber zum Nichtbestehen der Prüfung führen. Die Antwort b) würde zum Bestehen der Führerscheinprüfung führen, rechtfertigt aber den Satz 2 unseres Antrages.
Sarkasmus beiseite: Ich konstatiere hier, dass die Stadtverwaltung einfach Unwillen zeigt, sich des Problems der Verkehrssicherheit anzunehmen.
Um kurz auf das wiederholt zitierte Urteil des OVG Hamburg einzugehen, kann ich hierzu nur sagen, auch wenn ich kein Jurist bin: Spezielles Recht ist schlechtes Recht. Den Volltext des Urteils „Unverhältnismäßige Abschleppanordnung bei ersichtlich kurzzeitigem Falschparken“ – die Betonung liegt hier bei „ersichtlich kurzzeitigem“ – erspare ich mir.
Zur Information nur so viel: Die Polizei beobachtet eine junge Mutter, wie sie halb auf dem Bürgersteig einparkt, um ihr Kind in die Kita zu bringen. Auf Ansprache sagt sie: Ich bin gleich wieder da.
Trotzdem ruft die Polizei ein Abschleppfahrzeug. Ende der Geschichte: Der Pkw ist weg, als der Abschleppwagen eintrifft, und die Frau weigert sich, die Leerfahrt zu bezahlen. Jetzt frage ich mal die Juristen unter uns: Ist das ein wirkliches Referenzurteil zu verkehrsgefährdend parkenden Fahrzeugen? – Ich würde eher das Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern nehmen, welches feststellt, dass das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Pkw in Fußgängerzonen regelmäßig mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist und das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung nicht erforderlich ist. Aber es geht nicht um meine Vorlieben für irgendein Urteil.
Der andere Punkt ist der Begriff „bevorzugte Maßnahme“. Den haben wir bewusst gewählt, denn dieser schließt eine Einzelfallentscheidung nicht aus. Sonst hieße es „generelle Maßnahme“. Mehr dazu sage ich nicht, ich gleite sonst in die Diskussion über Begrifflichkeiten, ja, wahrscheinlich von unbestimmten Rechtsbegriffen ab.
Ich sehe es entgegen der im Widerspruch formulierten Auffassung so: Wenn ein Auto zum Beispiel im Kreuzungsbereich – oben genannter Paragraf – steht, verursacht das durch die Sichtbehinderung für Fußgänger, Radfahrer, andere Autofahrer eine unmittelbar bevorstehende Gefahr. Ist also der Fahrer nicht anwesend, so ist ein Abschleppen verhältnismäßig und angemessen. Da die Prüfung und Durchführung durch den Mitarbeiter des Ordnungsamtes oder die Polizei erfolgt, bleibt das eine Einzelfallentscheidung.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen: Es geht um Verkehrssicherheit. Durch zum Beispiel in Kreuzungsbereichen, auf Radwegen oder anderen kritischen Stellen, die eben aus diesem Grund Parkverbotsflächen sind, parkende Autos werden besonders die schwächsten Teilnehmer im Straßenverkehr, also Fußgänger, Radfahrer, aber auch andere Autofahrer, gefährdet.
Ein Hinweis noch zum Schluss: Durch die Erklärung der Rechtswidrigkeit einer Regelentscheidung im Widerspruchsschreiben widerspricht der OBM zum Beispiel den Regelungen in anderen Städten, wie in Berlin. In Berlin heißt es:
Im Hinblick auf die hohe Verkehrsdichte und die in vielen Bereichen begrenzten Möglichkeiten zum Halten und Parken werden Fahrzeuge häufig so abgestellt, dass konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen und dadurch insbesondere Verkehrsgefährdungen oder -behinderungen zu befürchten sind. Die Überwachungskräfte der bezirklichen Ordnungsämter oder die Polizei sind daher verpflichtet, neben den gebotenen Ahndungsmaßnahmen stets zu prüfen, ob diese Fahrzeuge zur Abwehr der Gefahren umgesetzt werden müssen.
Danach kommt:
Wann wird regelmäßig umgesetzt?
Beim verbotswidrigen Parken in folgenden Bereichen muss regelmäßig mit der Anordnung des Umsetzens gerechnet werden:
Statt der generellen Ablehnung unseres Antrages wäre es möglich gewesen, gemeinsam mit dem Stadtrat eine Lösung, wie zum Beispiel die Berliner, zu finden. Dazu gehört aber der Wille, sich diesem Problem zu stellen.
Ich halte die Neufassung unseres Antrags in beiden Punkten aufrecht und bitte um Ihre Zustimmung.”
Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn hier jemand nicht zu Ende denkt, sind es nicht die Freibeuter, sondern dann ist es der Oberbürgermeister, weil es gerade Herr Oberbürgermeister Jung ist, der jetzt nicht anwesend ist, der eben anderer Auffassung ist. Er ist nämlich der Auffassung: Das Parken auf Radwegen ist in der Regel nicht verkehrsgefährdend. Deswegen hat er Widerspruch eingelegt. Herr Jung ist der Auffassung: Das Parken im Kreuzungsbereich ist in der Regel nicht verkehrsgefährdend. Deswegen hat er Widerspruch eingelegt. Der Mann mit dem Erkenntnisdefizit sitzt nicht in der Freibeuter-Fraktion, sondern an der Spitze der Stadtverwaltung. Das ist das Problem, das wir hier haben.
Es ist auch kein Problem der Mitarbeiter. Wir haben ein großes Vertrauen in das, was die Mitarbeiter der Polizei und auch im Ordnungsdienst leisten. Es ist eine Führungsfrage. Die Frage ist, welche Leitlinien oder welches Beispiel man Mitarbeitern in der Arbeitserfüllung gibt oder geben will.
Wenn man sich hier als Oberbürgermeister spitzfindig mit Rechtsfragen beschäftigt und Widerspruch einlegt, anstatt die Arbeit zu machen und für die Sicherheit auf unseren Straßen zu sorgen, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort verunsichert sind. Wenn wir einen Oberbürgermeister hätten, der hier eine klare Linie hätte und dies auch immer wieder öffentlich deutlich machen würde, dann wäre für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klar, was sie machen müssten, und sie würden auch in dieser Frage anders undangstfreier entscheiden. Es geht also darum, ob man es politisch will oder nicht will. Herr Jung will es nicht. Der Stadtrat hat gezeigt, dass er es will, also sollten wir es heute noch einmal beschließen. – Vielen Dank.”
(Es gilt das gesprochene Wort)