Bericht des Oberbürgermeisters – Gewalt gegen die Polizei
Aus der Ratsversammlung am 16.09.2020
Stadtrat Morlok (Freibeuter): “Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Auch ich möchte mich für die klaren Worte bedanken, die Sie gefunden haben. Ich möchte allerdings noch einige Punkte darüber hinaus schärfen.
Der vermeintlich gute Zweck heiligt nie die Mittel. Er kann das schon deswegen nicht tun, weil wir ja definieren müssten, was denn der gute Zweck ist und die Frage natürlich aufkommt, wer bestimmt, wer entscheidet, was der gute Zweck ist. Wir sind hier ein demokratisch gewähltes Parlament mit unterschiedlichen politischen Auffassungen. Wenn wir jeden von uns fragen würden, was wir für einen guten Zweck halten, kämen wahrscheinlich verschiedene Antworten heraus. Wenn der vermeintlich gute Zweck die Mittel heiligen würde, dann müssten wir alle akzeptieren, dass alle von uns als gut angesehenen Zwecke zu Gewalt legitimieren würden; egal, von welcher Couleur sie als vermeintlich gut angesehen werden.
Ist das wirklich so? – Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann so nicht sein. Man kann ja darüber diskutieren, ob Häuser leer stehen dürfen oder nicht. Aber ob sie das dürfen, das regeln bei uns Gesetze, und über die Auslegung der Gesetze entscheiden Gerichte und nicht Hausbesetzer. Das ist Rechtsstaat.
Wenn man aus dem politischen Raum Verständnis für eine bestimmte Gewalt in einem bestimmten Sachzusammenhang äußert, dann muss man konsequenterweise auch akzeptieren, dass andere politische Parteien zu anderer Gewalt in anderen Zusammenhängen, bei Zwecken, die ihnen vielleicht politisch näher stehen, auch Verständnis äußern. Das heißt, diejenigen, die dies tun, sollten sich gut überlegen, ob es nicht auch andere hier gutgeheißene Dinge gäbe, wo sie es auf jeden Fall missliebig finden und ablehnen würden, dass man dies mit Gewalt verbindet.
Die Gewalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, fängt ja mit so einfachen Dingen wie Sachbeschädigung an. Da höre ich dann oft: Das ist nicht so schlimm. Aber es fängt eben mit Sachbeschädigung an. Dann kommt irgendwann einmal Körperverletzung. Wenn Leute richtig durchgeknallt sind, dann bringen sie auch noch Menschen um.
Es ist ein Unterschied, gegenüber wem die Gewalt ausgeübt wird. Die Wirtshausschlägerei ist etwas anderes als Gewalt gegen die Polizei. Die Gewalt gegen die Polizei, liebe Kolleginnen und Kollegen, richtet sich gegen uns alle. Hier geht es nicht um Wohnungsnot in Leipzig. Hier geht es nicht um hohe Mieten. Nicht den Gewalttätern geht es darum, vielen anderen schon. Wer aber diese Gewalt gegenüber Polizeibeamten ausübt, stellt sich gegen unseren Staat. Deswegen richtet sich diese Gewalt gegen uns alle.
Diese Gewalttäter stellen die Systemfrage; die Frage, in welchem Staat wir leben wollen. In einem Staat, wo Recht und Gesetz gelten – wo man sich, wenn man unterschiedlicher Auffassung ist, im Zweifel vor Gerichten widersetzt – oder ein Staat, wo das Faustrecht regiert. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir uns sehr, sehr klar vor Augen halten, wenn wir uns zu diesen Dingen als politisch Verantwortliche in dieser Stadt öffentlich äußern. – Vielen Dank”
(Es gilt das gesprochene Wort)