Umsetzung der Sofortmaßnahmen nach Ausrufung des Klimanotstandes

Anfrage:

Der Stadtrat hat am 30. Oktober 2019 den Oberbürgermeister beauftragt, den Klimanotstand auszurufen.

Auf Vorschlag der Fraktion Freibeuter hat der Stadtrat darüber hinaus die in Folge der Ausrufung eines Notstandes erforderlichen CO2-reduzierende Sofortmaßnahmen, wie das Verbot der Anschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Basis fossiler Energieträger und das Verbot von Dienstfahrten in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Basis fossiler Energieträger, ergänzt.

Wir fragen hierzu an:

  1. In welchen Bereichen der Stadtverwaltung, der Eigenbetriebe und der kommunalen Beteiligungsunternehmen ist der Beschluss noch nicht umgesetzt?
  2. Bis wann erfolgt die Umsetzung des Beschlusses?

Anfrage im Allris

Antwort (mündlich in der Ratsversammlung):

Oberbürgermeister Jung:

Die Freibeuter fragen, und ich gestatte mir, selbst zu antworten.  Der Beschluss wird umgesetzt. Das ist die erste und wichtige Antwort, Herr Morlok. Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freibeutern, liebe Stadträte: Der Beschluss wird umgesetzt, obwohl er natürlich noch große, große Unsicherheiten und Unklarheiten hat. Zur Wahrheit gehört auch, dass der Teufel im Detail steckt, wie Sie wissen. Der Stadtrat hat beschlossen, den Klimanotstand auszurufen, und das bedeutet für uns, dass wir die globalen Herausforderungen in der Tat für uns annehmen, und wir hier für uns auf der lokalen Ebene versuchen, der Klimaanpassung und dem Klimaschutz gerecht zu werden. 

Dann sind wir beim Thema Dienstreisen: Unser Grundsatz ist, dass Dienstreisen zukünftig mit Fahrzeugen ohne Verbrennungsmotoren gemacht werden sollen. Dem fühlen wir uns verpflichtet; er ist aber im Detail natürlich nicht von heute auf morgen umsetzbar ist. Ich muss Ihnen nicht erklären, dass ein Feuerwehrauto der Stadt Leipzig nach den Brandschutzbestimmungen in Deutschland kein Elektroauto sein dürfte. Ich brauche Ihnen auch nicht zu erklären, dass ein Kind im Rahmen der Hilfen zur Erziehung gegebenenfalls eine Einrichtung aufsuchen muss, die man nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Es gibt also viele, viele Aspekte im Einzelnen, die genau bedacht werden müssen.  Der Beschluss – so wunderbar er sich liest – ist im Detail natürlich ungeheuer kompliziert.

Ich habe es sofort in unserer eigenen Verwaltung veranlasst, dass wir Dienstfahrten innerhalb und außerhalb mit Pkw mit Verbrennungsmotoren so weit wie möglich vermeiden. Bei der Abwägungsentscheidung werden in der Tat organisatorische, finanzielle und zeitliche Gesichtspunkte betrachtet, um dann zu einer Entscheidung zu kommen. Bei Fahrten zur Erledigung von Dienstgeschäften innerhalb des Stadtgebiets besteht das Genehmigungserfordernis im Einzelfall.

Normalerweise braucht man in der Tat für eine Flugreise oder einen Pkw mit Verbrennungsmotor die Genehmigung der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters.  Das heißt aber auch, dass wir die jetzt vorliegende Dienstanweisung überarbeiten müssen. Wir sind dabei. Ich denke, dass wir im ersten Quartal 2020 die jetzt gültige Dienstanweisung verändert und überarbeitet haben werden. Der Kollege Hörning und die anderen Kollegen sind in einem regen Diskussionsprozess, sodass ich Ihnen dort auf jeden Fall dieses Signal geben kann. 

Zweitens: Wir möchten Ihnen gerne eine Informationsvorlage zureichen, wo wir Ihnen noch einmal ausführen möchten, wie wir den Beschluss versuchen zu leben – realistisch, pragmatisch, aber dennoch den Zielen verpflichtet.  Drittens: Ich habe selbstverständlich alle Unternehmen der Stadt Leipzig – auch die Beteiligungsunternehmen – angeschrieben und Sie gebeten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf diesen Beschluss einzugehen. Ich kann Ihnen sagen: Alle direkt betroffenen Beteiligungsunternehmen haben sich rückgemeldet und sind intensiv in der Diskussion und der Prüfung möglicher Maßnahmen zur zielorientierten Umsetzung. Zur Wahrheit gehört aber auch: Auch das ist nur bedingt möglich.

Um Beispiele zu nennen: Denken Sie an die Stadtreinigung; denken Sie an die Fahrzeuge, die wir bei den Wartungen der LVB brauchen. Hier geht es immer um die Erfüllung des jeweiligen Unternehmenszwecks, der natürlich nicht durch die Sofortmaßnahmen eingeschränkt werden darf, wie Sie sich vorstellen können. Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel: Ein Vergabeverfahren, das zurzeit läuft, kann nicht aufgehoben werden, weil die Beschaffungsvorgänge gegebenenfalls schon juristische Folgen haben können. Das heißt, wir sind in einer intensiven Diskussion. Es gibt in der Tat, wie der Kollege Hörning ausgeführt hat, eine sehr, sehr intensive Befassung von der LVV – ich sehe die Kollegen, die unter uns sitzen – bis hin zur LVB oder anderen Unternehmen. Sie können sicher sein, dass wir dem Thema die nötige Aufmerksamkeit geben. Sie werden über den laufenden Prozess informiert, und ich denke, dass wir im ersten Quartal 2020 deutlicher und klarer die jeweiligen Ausnahmen und Möglichkeiten diskutiert haben.

Stadtrat Morlok (Freibeuter):

Herr Oberbürgermeister, es ist sicherlich nachvollziehbar, dass umfangreiche Änderungen auch eine gewisse Vorlaufszeit benötigen. Angesichts der Tatsache, dass es sich hier um einen Notstand handelt, ist natürlich ein besonders schnelles Handeln erforderlich. Ich denke, dass in dem Beschluss auch impliziert ist, dass der Erstellung des Konzeptes gegenüber anderen Tätigkeiten in der Verwaltung Priorität einzuräumen ist, sonst hätte man es ja nicht als Notstand bezeichnet. Es kann also nicht sein, dass es genauso wie das Normale abgearbeitet wird, sondern es muss schon als die prioritäre Maßnahme im Umsetzungsprozess der Verwaltung verstanden werden. Andernfalls macht – da geben Sie mir sicherlich recht – die Bezeichnung „Notstand“ in dem Zusammenhang relativ wenig Sinn, wenn diese von Ihnen angekündigten Konzepte nicht prioritär erstellt werden. – Ich habe gefragt, ob man mir recht gibt, wenn ich sage, dass es keinen Sinn macht, das als Notstand zu bezeichnen, wenn man diese Dinge dann nicht prioritär behandelt. Dann braucht man es nicht als Notstand zu bezeichnen.  

Als weitere Frage: Ich kann nachvollziehen, dass es mit der Abgrenzung der Dienstfahrten, was man nun tatsächlich darunter verstehen möchte oder aus guten Gründen nicht darunter versteht, schwierig ist. Der Beschluss beinhaltete ja aber auch eine Aussage, dass diese entsprechenden Fahrten, sofern sie mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor betrieben werden, hinsichtlich des CO2-Ausstoßes zu kompensieren sind. Bezüglich dieser Sache ist klar: Es ist zu kompensieren, und zwar alle, die da getroffen werden. Meine Frage ist: Ist dieser Beschlussteil umgesetzt? Denn wenn man es nicht durch ein Elektromobil ersetzen kann, muss man es eben kompensieren. Haben Sie dies umgesetzt? In welchen Bereichen haben Sie es gegebenenfalls noch nicht umgesetzt? 

Oberbürgermeister Jung:

Ich fange einmal mit der zweiten Frage an:

In der Tat haben wir ja, wie Sie wissen, eine Dienstanweisung gültig, dass Flugreisen im Hinblick auf die CO2-Auswirkungen in einen Klimafonds eingespeist werden. Das ist vollzogen. Und wir arbeiten auch gerade an der aktuellen Dienstanweisung, dass wir auch Fahrten mit Verbrennungsmotor in einen solchen Fonds einspeisen. Wir diskutieren gerade auch den Einstiegspreis. Für diesen werden wir uns – das kann ich Ihnen ganz offen sagen – auf den Preis einigen, den die Bundesregierung jetzt zum Klimaschutzprogramm besprochen hat. Da gehen wir ganz bewusst, um auch Ausgleichsmöglichkeiten zu haben, in einen etwas höheren Preis hinein. Das wird Gegenstand der Informationsvorlage sein. Auch heute sind wir aber schon in der Lage, auszurechnen, wie die CO2-Belastung aufgrund unserer fossilen Nutzung gegebenenfalls abgerechnet werden kann. 

Bei den Beteiligungsunternehmen wird das Thema selbstverständlich auch aufgerufen. Da gibt es je nach Branche aber auch ganz unterschiedliche Antworten. 

Zur Frage eins:

Ich will jetzt nicht noch einmal die Debatte vom letzten Mal aufmachen, aber was auch im Hinblick auf die Außenwirkung wichtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben hier nach langer Diskussion den Begriff „Klimanotstand“ genutzt, nicht, weil wir ihn mit der Notstandsgesetzgebung vergleichen wollen, und auch nicht, weil wir meinen, die Stadt Leipzig sei in einem Notstand. Sondern weil wir deutlich und symbolhaft klarmachen wollen, dass die Erde in einer Notstandssituation ist, in der wir uns verpflichtet fühlen, dem im Rahmen unserer Möglichkeiten Rechnung zu tragen. Klar ist das dann eine Priorität, die aber immer mit der Erfüllung der Aufgaben, der Wirtschaftlichkeit und zeitlichen Fragen abgewogen werden muss. 

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn der Kollege Klitschko aus Kiew, unserer Partnerstadt, mich anruft und dringend darum bittet, dass jemand aus der Stadtverwaltung ihn bei stadtplanerischen Prozessen in der Stadt unterstützt, weil derzeit in der Ukraine sehr heftig diskutiert wird, zentrale Regierungsanordnungen im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltung zu unterlaufen, dann kann ich den Kollegen nicht mit einem Bus Kiew schicken, um dort zu helfen, sondern der muss  ein Flugzeug nutzen. Das ist, glaube ich, immer abzuwägen, wie wir uns da aufstellen. Ich kann sonst auch das Referat Internationale Beziehungen in ihrer Tätigkeit nicht einstellen. Kurzum: Es sind tausend Dinge zu bedenken, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und ich bitte Sie, dass Sie uns das Vertrauen geben, dass wir das im Rahmen dessen, was wir verantworten können, auch tun.